Am folgenden Tag schien zwar schon in aller Frühe die Sonne, aber es war erbärmlich kalt. Nachts waren es fast 10 minus, und wenn man dann bei 8 minus im Freien frühstücken soll, macht auch das Butterhacken keinen Spaß mehr. Der eisige Wind sorgte dafür, daß wir ganz schnell fertig waren und uns in den Bus verzogen. Heute fuhren wir Richtung Süden, wo uns eine tolle Hitze versprochen wurde. Die konnten wir nach soviel Kälte auch gut gebrauchen und träumten schon vom Sonnenbaden.
Der nächste Tag war Ostersonntag! Ostersonntag am Grand Canyon, das war schon eine Sache! Mir fiel ein, daß ich sechs Jahre zuvor am Ostersonntag in Benares war, was mir ebenfalls unvergeßlich bleiben wird. Karl und Reinhard verteilten auf Papptellern bunte Ostereier und Kuchen, worüber wir uns wie die Kinder freuten. Wir aßen bei fast 10 minus ganz rasch und schlotternd unser Ostermahl und wurden dann vom Bus am Rand des Canyons abgesetzt. Dieser Tag stand zur freien Verfügung und jeder konnte machen, was er wollte. Als Waage-Mensch hatte ich mal wieder die Qual der Wahl und kämpfte mit meinem inneren Schweinehund, ob ich nun faul am Rand des Canyons entlanglaufen sollte oder mich nicht doch lieber ein Stück hinab trauen sollte. Karl hatte uns eindringlich eingeschärft, auf jeden Fall genug Trinkbares mit hinunter zu nehmen, weil es dort absolut nichts mehr zu kaufen gäbe und der Flüssigkeitsverlust enorm sei. Nun stand ich also mit meiner schweren Tasche samt Kamera und 1000 Kleinigkeiten von rund 5 kg am Rand und kämpfte mit meiner Faulheit. Aber schließlich siegte doch der Reiz des Unbekannten, und obwohl ich weder Trinkbares noch die erforderlichen Wanderschuhe, sondern nur Joggingschuhe trug, begann ich also mitsamt der schweren Tasche meinen Abstieg in den Canyon. Wenigstens eine halbe Stunde wollte ich hinablaufen und neue Eindrücke gewinnen.
Danach kamen wir durch die Painted Desert - die gemalte Wüste - weil das Gestein hier in unglaublichen Farben von fast Weiß über beige und rot bis zu grün und schwarz leuchtet. Für uns ein wunderschönes Bild, für die Indianer eine Trostlosigkeit, denn im Sommer ist es trocken und unerträglich heiß, während im Winter die Temperaturen auf minus 25 absinken. Hinzu kommt ein unablässiger Wind.