So saß ich eine Weile und schaute bloß. Und wieder kam ich mir so klein und ohnmächtig vor angesichts dieser großartigen Natur um mich herum. Ich empfand es als ungeheures Geschenk, daß ich hier sitzen und schauen durfte, und wollte mich bedanken, ich wußte bloß nicht, bei wem.

Dann machte ich mich gemütlich auf den Rückweg. Unterwegs begegneten mir jede Menge Reiter auf Mauleseln. Reiten konnte man das eigentlich nicht nennen, denn die armen Maulesel mußten ihre faulen Reiter im Schritt den Berg hinauf- und hinunter tragen.

Als ich an der Quelle beim Indians Garden ankam, trank ich soviel, wie ich nur konnte, weil es hier unten sehr heiß war und ich wußte, daß es "bis oben" nichts Trinkbares mehr gab. Als ich dann keuchend und schwitzend die ersten 300 Höhenmeter überwunden hatte, war meine Kehle total ausgedörrt, und ich verfluchte meine Unentschlossenheit, d.h. ich hatte einfach zu wenig Vorbereitungszeit gehabt, bei Rotel ging ja alles immer Zackzack. Sonst hätte ich mir das besser überlegt und sicher Trinkbares und auch andere Schuhe mitgenommen. Mit viel Anstrengung kämpfte ich mich weiter und war total fix und fertig und halbverdurstet, als ich endlich gegen 16.00 Uhr am Canyonrand angekrochen kam. Anders kann ich das nicht nennen. Meine Füße taten entsetzlich weh, aber die Militärsocken hatten wenigstens Blasen verhindert.

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Ich kann mich nicht erinnern, jemals so fertig gewesen zu sein und solch schmerzende Füße gehabt zu haben. Kaum war ich oben, ließ ich mich auf die nächstbeste Bank fallen und fror sofort wieder, denn hier oben war es immer noch empfindlich kalt. So zog ich all die Sachen wieder an, die ich im Laufe des Marsches so nach und nach ausgezogen hatte. Dann fuhr ich mit dem Shuttlebus zum Besucherzentrum, wo ich fast die Wasserhähne leertrank. Dann erst machte ich mich auf zu der Caféteria des Supermarktes, wo ich dann sündhaft viel trank. Aber trotz aller Mühe und Anstrengung war ich doch glücklich über dieses Erlebnis. Hätte ich den Grand Canyon nur von oben gesehen, er hätte sich mir bei weitem nicht so nachhaltig eingeprägt wie jetzt.

So nach und nach trudelte die ganze Gruppe ein. Alle, die ein Stück weit in den Canyon gelaufen waren, waren genau so kaputt wie ich. Und dann erfuhren wir zu unserem größten Erstaunen, daß der älteste der Gruppe, ein schmaler Mann Mitte siebzig, und einer in mittleren Jahren doch tatsächlich auf dem schwierigeren Weg bis ganz runter zum Colorado und zurück gelaufen waren. Dafür sieht man normalerweise zwei Tage vor. Der jüngere Mann hatte zu Hause wochenlang trainiert und Ausdauerübungen gemacht, während der ältere keinerlei Vorbereitungen getroffen hatte. Aber er teilte uns mit, daß er seit vielen Jahren jeden Tag 25 km in flottem Schritt zu Fuß läuft und sich nie satt ißt. Er hört immer dann auf, wenn er noch ein bißchen Hunger hatte. Er sagte, dann würde man nie faul und träge. Und ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich in Frankfurt am Flughafen, als ich ihn sah, Sorgen hatte, daß dieses schmale Männchen auch nur den Flug heil überstehen würde. Wie man sich doch täuschen kann! Später dann hat dieser durchtrainierte Mensch uns alle das Laufen gelehrt, keiner konnte längere Zeit mit ihm Schritt halten. Wir waren meist noch auf dem Hinweg, als er schon im Laufschritt zurückkam. Es war fast deprimierend und beschämend für uns Jüngere. Vielleicht ist an dem "nie sattessen" und dafür viel laufen doch was dran!