Am Abend gab es noch ein besonderes Bonbon: Sonnenuntergang am Grand Canyon. Es war wunderschön, wie die untergehende Sonne die Felsen in alle rot-goldenen Schattierungen tauchte, teilweise sogar hell- bis altrosa, einfach wunderbar. Während wir noch standen und schauten, wie die Sonne die Berge in vielfarbige Paläste verwandelte, hatte Reinhard schon wieder ein Süppchen gekocht, das wir wegen der Kälte und dem ständigen Wind im Bus löffelten. Danach fuhren wir zurück zu unserem Campingplatz, wo ich mir nochmal den tollen Film über den Grand Canyon anschaute und dann schlotternd vor Kälte in meine Koje kroch.

Die Landschaft, die wir nun durchfuhren, wurde geprägt von Ponderosa-Kiefern, und die 3600 m hohen Berge begleiteten uns weiterhin. Wir fuhren auf 2100 m Höhe, und draußen war es noch sehr winterlich und eisig. Kurz vor Flagstaff besuchten wir das Museum von Nord-Arizona.

 

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Vor dem Gebäude blühten die ersten Osterglocken, was uns sehr an heimatliche Gefilde erinnerte. Hier herrscht Hochgebirgsklima, das heißt im Sommer ist es angenehm, aber im Winter kann das Thermometer auf 30 minus absinken. Die Schneemengen sind beträchtlich. Wir schlotterten immer noch im eisigen Wind, hatten wir hier doch bereits wärmere Temperaturen erwartet. Aber die Höhenluft war gut, als wir kurz darauf am kleinen Oak Creek Canyon anhielten. Nachdem wir aber soviel Superlativen gesehen hatten, konnte uns so ein kleiner Canyon nur noch ein müdes Lächeln abgewinnen. Was sind wir doch für eine furchtbare Bande! Wie kann man nur so sensationslüstern sein!

Am nächsten Morgen waren es doch tatsächlich 10 über Null, als wir frühstückten. Um 8.00 Uhr starteten wir in Richtung Palm Springs über Blythe. Die Straße führte lange Zeit bergab, und wir ließen die letzte Hügelkette Arizonas hinter uns. Und dann kam erst die Wärme und danach die Hitze der Wüstenebene Zentralarizonas. Nahezu sämtliche Klamotten wurden ausgezogen und auf vorerst Nimmerwiedersehen fortgepackt, dafür wurden die Getränkeflaschen in Griffnähe gelegt. Und dann - endlich - sahen wir die ersten, langerwarteten Saguaros, jene riesigsten aller Kakteen, die bis zu 15 m hoch werden können. Diese - auch Kandelaberkakteen (Cereus gigantea) genannten - Stachelriesen verzweigen sich im Alter und blühen im Sommer mit einer Vielzahl stabiler, weißer Blüten. Selbst eine Taube kann sich auf so eine Blüte setzen, ohne daß diese abbricht.

Wir fuhren noch ein Stück und durften dann im Kakteenland herumlaufen. Ich kriegte mich schier nicht mehr ein angesichts solcher Pracht. Überall Kakteen der verschiedensten Arten, teilweise sogar schon mit Blüten! Aber die riesigen Saguaros beeindruckten mich doch am meisten und ich machte viele Fotos davon. Seit vielen Jahren bin ich Kakteenfan und habe zu Hause eine bescheidene Sammlung, die mir doch Jahr für Jahr wieder viel Freude macht.

 

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Deswegen war es für mich natürlich ein ganz besonderes Erlebnis, viele der mir bekannten Arten hier in ihrer Heimat sehen zu können. Hier blühten auch die Ocotillos, die mit herrlichen, feuerroten Blüten an ihren Astenden geschmückt waren. Es gibt meines Wissens keine deutsche Bezeichnung für diesen Strauch, weil man ihn bei uns nicht kennt. Dazwischen wuchsen Palo Verde, zu Deutsch etwa: grüner Baum, weil die Rinde ganz grün ist. Es handelt sich aber mehr um einen großen Busch. Fast jeder der großen Saguaros, die bis zu 200 Jahre alt werden können, hat so einen Palo Verde als Amme. Als Sämling und junger Kaktus braucht er noch zeitweise Schatten, um keimen und anwachsen zu können. Daher findet man tatsächlich bei jedem Saguaro so einen Ammenbaum.

Dann ging die Fahrt weiter und Karl erzählte uns, daß die Siedler vor hundert Jahren für die gleiche Strecke, die wir heute fahren, etwa 3 - 4 Wochen gebraucht haben mit ihren Ochsenkarren durch unebene Wüste. Damals hätte man bestimmt nicht geglaubt, daß hier eines Tages Rotelbusse auf guter Straße durchschnurren würden.

Endlich sahen wir dann auch den langersehnten Roadrunner über die Straße rennen, und der ganze Bus johlte und jubelte. Lange hatten wir auf diesen merkwürdigen Vogel gewartet, der auch Wüstenclown und Erdkuckuck genannt wird, weil er oft lange vor einem Fahrzeug herrennt, anstatt wegzufliegen. Er läuft einfach lieber als daß er fliegt. Er hat ein lustiges, keckes Gesicht, und man muß unwillkürlich lachen, wenn man ihn so rennen sieht. Fast alle im Bus hatten den tollen Film über den Roadrunner gesehen, der einige Wochen zuvor im ZDF von den bekannten Tierfilmern Arendt und Schweiger gezeigt wurde. Auf jeden Fall hatten wir jetzt einen Mordsspaß daran, diesen im wahrsten Sinne des Wortes ulkigen Vogel in natura zu erleben. Und dann stöhnten wir wieder, diesmal vor Hitze. Uns soll es mal einer recht machen!