Der letzte seiner (Unter)art
 
Als wir nach einer Woche Inselhüpfen, meist fern menschlicher Siedlungen und des Internets, abends in der Hafenstadt Puerto Ayora auf der Insel Santa Cruz an Land gehen, wirkt das Örtchen auf mich fast wie eine Millionenstadt. Zahlreiche Schiffe treiben im Hafen, und auch entlang der Uferstrasse herrscht geschäftiges Treiben. Im Hochland von Santa Cruz leben noch Landschildkröten in freier Wildbahn - faszinierende Kreaturen, die nirgends auf der Welt solche Körpergrösse erlangten wie auf Galapagos.  Bis zu 200 Jahre werden sie alt, aber ihre runzelige Haut lässt sie aussehen, als hätten sie Millenia überstanden. Die Zeit scheint für die Tiere einen anderen Gang zu gehen. Gemächlich kauen sie am Grünzeug, und manch Blatt und Halm hängt ihnen auch 1 Stunde später noch genauso aus dem Munde, wie zuvor. Die älteren Tiere, die sich noch an schlechtere Zeiten erinnern, ziehen mit einem tiefen Grummeln  ihren Kopf ein, wenn man sich ihnen auf mehr als ein paar Meter nähert. Einst gab es Zehntausende von Riesenschildkröten auf dem Galapagos-Archipel, doch ihre Genügsamkeit wurde ihnen zum Verhängnis. Monatelang können sie ohne Wasser und Nahrung auskommen, und so landeten sie zu Hunderten als Verpflegungsvorrat in den Frachträumen der vorbeikommenden Walfänger- und Piratenschiffe. Auf einigen Inseln sind sie daher heute komplett ausgestorben.                                                                                                  

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Von der Schildkrötenart, die einst auf der Insel Pinta heimisch war, gibt es nur noch einen bekannten Überlebenden: Lonesome George, der vielleicht bekannteste Einwohner des Galapagos-Archipels. Seine Eigenschaft als „seltenste lebende Kreatur auf Erden“ bescherte ihm auch einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde. Als wir am Nachmittag auf der Charles Darwin Schildkrötenstation eintreffen, hat sich der berühmte George schon zur Siesta in dichtes Gestrüpp zurückgezogen. Nur eines seiner Weibchen streicht noch durch die Gegend. Seit 1972 wird George zur Paarung ermuntert; bekommt immer wieder Weibchen ins Gehege gesetzt. Mit einem geschätzten Alter von um die 100 Jahren im besten Schildkröten-Mannesalter, weiss George jedoch lange Zeit nichts rechtes mit den Schildkrötendamen anzufangen. Im Juli des Jahres 2009 legt ein Weibchen Eier und die Neuigkeit geht durch die Weltpresse. Die schlechte Nachricht kommt im Dezember: die Eier waren nicht befruchtet. Schildkrötenweibchen legen manchmal solche Scheineier. So bleibt abzuwarten, ob es einer der Schildkrötendamen doch noch gelingen wird, George den Kopf zu verdrehen. Oder ob es vielleicht noch Überlebende der Pinta-Art auf der Insel Isabela gibt. Erste Hinweise darauf fanden sich 2007 bei einer genetischen Untersuchung von Schildkröten auf Isabela, von denen einige möglicherweise direkte Pinta-Vorfahren hatten.