Hirten werden befragt, wo sich eine Bande aus Eritrea aufhält. Nun fahren noch mehr Soldaten mit. Sechs Gewehre und eine Pistole schützen uns, dafür rücken wir hautnah zusammen.
(Von Eritrea aus operieren politisch motivierte Banden, die im Untergrund gegenwärtige Verhältnisse umkehren wollen. Nach der Abspaltung von Äthiopien hat Eritrea wirtschaftliche Probleme. Deutschland unterstützt unrühmlich beide Länder nicht nur wirtschaftlich(!) mit dem Ziel, Kräfteverhältnisse in Afrika umzupolen.)
Öfters müssen wir stoppen und Barrikaden von Lavablöcken beseitigen. Hirten errichten sie, um evtl. hier vorbeikommende Forscher anzuzapfen. Bei Schrittempo kosten wir das Durchschütteln, Ächzen, Poltern, Krachen, Schlingern genüßlich aus. Mehrmals entlasten wir das Fahrzeug, steigen aus, wenn Terrassen von Lavaflüssen erklommen werden müssen. Erstaunlich, wie der Dorfhäuptling den gerade noch befahrbaren Untergrund in dem schwarzen Labyrinth findet. 48° C zeigt das Thermometer. Im Mai fallen die Zugvögel vom Himmel und die Menschen schlafen unter benässter Kleidung um zu überleben.
 
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Aus dem hitzeflimmernden Dunst taucht die langgezogene Silhouette des Erta Ale mit zwei Rauchfahnen auf.
Mittags, bei einigen Akazien im Grasbüschelland, ist das Ziel erreicht. Ein schattenspendender Baldachin wird aufgestellt. Nach einem Imbiß wird Ruhe verordnet. In der Nacht wollen wir auf den Berg. An Schlaf ist nicht zu denken, Rucksackpacken, kleines Abendessen. Petra fühlt sich schwach und müde, wird mit Franz, zwei Soldaten und den Fahrern hier bleiben.
Um 22.30 Uhr laufen wir los. Grasland, Lavafelder, Staub. Es soll einen Kamelpfad durch die Geröllwüste geben, diesen finden die Soldaten nicht. Ist dieser vom Erdbeben verschüttet? Die blauschwarze Lava reflektiert mangelhaft das Licht der Diodentaschenlampe.
Rutschendes, kippendes, rollendes, loses Lavageröll erfordert volle Konzentration. Scharfkantige, spitze Brocken perforieren die Hände, falls man im Stolpern dort Halt suchen würde. Unter den Füßen brechen Lavatunnel ein, kein Spaziergang, dieses stundenlange Tasten und Balancieren durch den Spielplatz des Teufels.
 
Öfters werden Pausen gemacht, dieses bringt den Laufrhythmus durcheinander. Fehlender Nachtschlaf, die Hitze, fortwährende Anspannung, Durst laugen aus. Jeder hat 1,8 l Wasser mitbekommen. Das ist entschieden zu wenig, so wird nur schlückchenweise getrunken. Ingrid stürzt, scharfkantiges Geröll verletzt sie am Bein. Sie bleibt mit Jaju zurück.
Die Rauchschwaden über dem Gipfel werden rot beleuchtet und weisen den Weg. Aber wir irren stundenlang auf den brüchigen Halden. Unterhalb des Kraters hindern uns beißende Gaswolken am Atmen, husten, niesen, tränende Augen zwingen instinktiv, auszuweichen. Doch der Wind treibt glücklicherweise immer wieder das Reizgas weg.
04.10.2005
Gegen 4.30 Uhr stehen wir am Kraterrand, nur knapp 700 m höher als gestern Abend. Noch herrscht tiefe Nacht, beleuchteter Rauch steigt aus den zwei Schlünden. Der Blick auf das Magma bleibt uns vorerst verborgen. Dazu müssen wir die Kraterwand hinabklettern. Norbert steigt ab und signalisiert, dass wir nachkommen können. Etwa 600 m im Durchmesser misst die Caldera. In deren lavaschwarzen Boden führen zwei 100 m breite kreisrunde Öffnungen direkt in die Hölle.
Über lockere Felder, tückisch einbrechenden Höhlen gelangen wir zum rechten, aktivsten Krater. Am zackigen, zerklüfteten Rand schauen wir fasziniert in ein Loch mit senkrechten Wänden. 40 m tiefer wogt ein glühender See, teils mit schwarzer Haut überzogen. Ständig verändert sich das Bild: feurige Risse, funkensprühende Fontänen, Garben hochgeschleuderten, flüssigen Gesteins, aufsteigende gelbleuchtende zerplatzende Gasblasen, gespenstig die Wandung des Kessels erleuchtend. Es zischt, brodelt, faucht und blubbert. Nach jedem Gasausstoß traktieren uns die ätzenden Schwaden und vertreiben die romantische Andacht. Mit angehaltenem Atem versuche ich, möglichst viele Fotos zu schießen; befürchte, mein Film wird gleich in der Kamera entwickelt. Diesem höllischen Naturschauspiel kann man sich schwer entziehen, das Zeitgefühl schwindet.
Hinter dem Brodel geht die Sonne auf, das Spektakel verliert an Leuchtkraft. Wir gehen zurück und sehen jetzt im Tageslicht die vielgestaltigen Formen von erkalteter Lava.
Klettern die Caldera empor, blicken zurück auf die zwei rauchende Schlote. Die Soldaten schlafen hier oben, Winfried ist auch hier sitzen geblieben. Dann rutschen, poltern wir müde abwärts, heiser vom Atem des Berges. Mit Heidi und einem Afar gehe ich am Schluss. Im Schatten einer Akazie warten wir auf Ingrid und Jaju. Ihr aufgeschlagenes Knie und Abschürfungen bereiten Schmerzen und hindern am Laufen.
Unbändiger Durst plagt uns, langsam geht es voran. Auf einmal ist Freddy aufgetaucht. An einer Wasserstelle, ein angeblicher Rastplatz der Banditen, grünt es, sogar hübsche weiße Lilien sind zu bewundern. Der Afar holt Wasser aus einem Restloch. Trinken will ich es nicht, aber der Hitze wegen gießen wir es uns über Kopf und Kleidung. Freddy will ½ Stunde schlafen. Die Pause ist uns willkommen. Dann weiter über schwarze Kruste bis wieder ein Baum lichten Schatten spendet. Wir warten auf Jaju und Ingrid. Freddy, auch Heidi mit einem Soldaten gehen ins Lager hinab. Mittlerweile ist es 11 Uhr geworden. Schaffen wir gemeinsam die letzte ¾ Stunde auch ohne Wasser hinab?
Sengender Wind fegt über die gebrannten Steine. Das Quecksilber steht oberhalb der Skala, über 50° C! Die Temperatur über dem dunklen Asphalt muss in der Sonne noch 20° C höher sein. So wird beschlossen, hier die Mittagsglut abzuwarten. Ingrid und Jaju treffen ein. Kumè, der Fahrer, kommt von unten, einen Rucksack mit Wasserflaschen geschultert, später bringt ein Soldat eine Schüssel Nudelsalat. Kumè erzählt, dass es ein großes Problem gegeben habe. Wir deuten es so, ein großer Mann wäre ohnmächtig und vielleicht nicht mehr am Leben. Wir hoffen, dass es nicht wahr ist, dass wir es falsch aufgefasst haben.

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Ausgedörrt und gierig wird eine Flasche nach der anderen geleert. In ½ Stunde gieße ich 5 l in mich hinein! Und in den nächsten drei Stunden weitere 3,6 l. Nach dem Auftanken kehren schnell körperliche und geistige Kräfte zurück.
Wir verdösen die Hitze und machen uns vor 15.30 Uhr auf den Weg. Für die zerschundene Ingrid steht unterhalb ein Kamel bereit, auf dem sie die letzte ½ Stunde dem Ziel entgegen schaukelt.
Im Lager angekommen bestätigt sich das tragische Unglück. Winfried ist beim Abstieg allein gegangen, gestürzt, ohnmächtig geworden, hatte sich am Kopf verletzt, und ist hernach verstorben. Norbert fand ihn, leistete vergeblich Hilfe, organisierte den Abtransport.
Mit dem vierten Auto ist er bereits auf dem Weg zur Hauptstadt. Dieses erschütternde Ereignis deprimiert uns.