Zivilisation, bildet das erste Nachtquartier. Grillen und Frösche scheinen um die Wette zu lärmen. Am Himmel zuckende Fledermäuse schicken ihren Schall gegen das Heuschrecken-Zirpen im Gras. Du lauschst: Das Geräusch des Wassers ist nicht einfach ein gleichmäßiges Rauschen, wenn du genau horchst, hörst du das Knirschen unzähliger kleiner vom Wasser bewegter Kiesel. Nie zuvor hast du einem Wasserlauf so aufmerksam zugehört. Ein erstickter Schrei, der ganz in der Nähe ertönt, ist durchdringender als jeder Knall. Du zwingst dich zu glauben, dass es  nur ein Tier war. Es gibt eine Geräuschkulisse der Nacht und eine des Tages. Den Übergang bildet das Krähen des Hahns. Hundegebell aus den Dörfern, Wasserbüffel im seichten Uferbereich. Gesprächsfetzen von Goldwäschern und Kindergeschrei beim Baden. Eine Säge im Dorf, ein Gewehrknall im Wald und die Erschütterung einer Explosion im 50 Kilometer entfernten chinesischen Bergwerk. Du übst dich darin, blindlings zu rudern, die korrekte Richtung nur durch die Wärme der Sonne auf deiner nackten Haut erahnend. Bald unterscheidest du nur am nahenden Geräusch vier Bootstypen: Speed-Boat für Menschen, Slow-Boat meist für Lasten und den kleine und den mittelgroße Fischerkahn. All das hören die Touristen nicht. Hinter dem Helm-Visier auf ihren lauten Speed-Booten starren sie dich und dein Schlauchboot ungläubig an. Zeit für ein neidisches Foto finden nur die „Öko-Touristen“. Mit fünf bis acht Personen belegen sie einen 300-Tonnen-Mekong-Frachter, extra für sie umgebaut und überdacht.

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Aber sie brutzeln lieber auf dem Oberdeck. Menschen mögen normalerweise 30 Grad im Schatten, nur Schlangen und Touristen bevorzugen 45 Grad in praller Sonne. Pro Passagier vernichtet ihr Ausflug 45 Liter Diesel auf 100 Kilometer, Leer-Rückfahrt nicht mitgerechnet. Doch sie vertröstest sich, behaupten, sie verschafften ja den Einheimischen damit Geld. Sie knipsen sich selbst. Du stellst den Hintergrund, damit daheim die Angehörigen fragen können: „Wer ist der Verrückte hinten im Bild?“ Die Möglichkeit, digitale Schnappschüsse sofort anzusehen, müsste eigentlich das Fotografieren eindämmen. Stattdessen knipsen die Menschen immer mehr und mehr, wie Affen, die dauernd ihre stinkenden Pisspfützen hinterlassen, um sich darin zu bespiegeln. Das spricht für Zweierlei: Selbstüberschätzung der eigenen Fotogenität und unverwüstlichen Optimismus darüber, dass das nächste Bild besser wird. Trotz dass sie dich knipsen, störst du sie, entwertest mit deinem Billig-Boot ihre persönliche „Bezwingung“ des Mekongs. Genau wie du sehen sie Mais, Bananen und Teakholzplantagen; wie sich im Morgengrauen der Auennebel vor dem Dunkeln des Dschungels auflöst, sehen nicht. Sie sehen nicht, wie ein Eisvogel taucht. Dieses Geschichte kann gelesen werden oder nicht. Doch wurde sie bis hierhin gelesen, wird sie gelesen.