Wände brauchst du nicht

Am dritten Abend – ein Kloster. Die Mönchen laden dich ein, in ihrem Wat zu übernachten. Im Boot zu schlafen, hatte sich ohnehin nicht bewährt. Die Plastikwände ziehen Kondenswasser an und machen das Boot zu einem feuchten Lager. Du nimmst also an. Schließlich bist du nicht hergekommen, um mit Touristengruppen zu drängeln und zu schubsen, um dann noch mehr Limonadenflaschen, Dosen, und Zigarettenkippen auf den Boden zu werfen.

Dann siehst du diesen Mönch. Er ist gerade vom Berg herabsteigt, lächelt, scheint dich gar nicht zu bemerken. Solche Menschen leben in einer eigenen Welt, die anderen auf immer verschlossen bleibt, sie haben eine eigene Art zu existieren und schlagen sich außerhalb dessen, was als Gesellschaft gilt, durch.

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Du kannst aber nur wieder in das Leben zurück, das als normal gilt und darin liegt vielleicht deine Tragödie, auf dieser Erde zu sein, um das Glück zu suchen, aber es nicht zu finden. Wenn du vor den Menschen fliehst, warum hast du dann das Bedürfnis, mit anderen Menschen zusammen zu sein? Kein Ziel zu haben, nicht zu wissen, wonach man sucht, ist reine Höllenqual.

Ein Lager auf einer überdachten Veranda, Wände brauchst du nicht. Als zum Sonnenuntergang dunkle Schatten das Tal überziehen, fällt ein Baumriesen auf, er ragt über das zartgrüne, noch von der Sonne angestrahlte Bambusmeer hoch hinaus. Seine alten, morschen abgebrochenen Äste streckt er wie ein unheilvoller Dämon eigenwillig in alle Richtungen. Du hast verstanden, dass es eine unheimliche Seite tief in deiner Seele anspricht, vor der du selbst erschreckst. Aber ob vor der Schönheit oder der Hässlichkeit du kannst nur zurückweichen. Du betrachtest das Spiegelbild der Sonne im dunklen Mond und schläfst ein.

Vage drängende Trommelschläge reißen dich aus dem Schlaf, einen Augenblick lang ist dir unklar, wo du bist. Es ist drei Uhr in der Nacht. Du begreifst, das Morgengebet hat begonnen. Das Trommeln steigert sich mit dem Summton der Gebete. In dieser dröhnenden Symphonie erklingt plötzlich ein Glockenton, so schwach, dass man ihn für Einbildung hält, wie ein Spinnfaden im Wind oder das zarte Zirpen einer Grille, so flüchtig, so fein, doch so bestimmt in diesem wirren Trommelgewirbel, so hell, klar und unverkennbar. Du suchst nach seiner Quelle und entdeckst den alten Mönchsältesten in seiner abgetragenen, oft geflickten Kasaya. In der linken Hand hält er eine kleine Kelchglocke, in der rechten einen Metallstab, womit er diese Glockentöne mit dem Weihrauch langsam nach oben schickt. Wie ein Fischernetz fängt es alles ein und die Erregung verschwindet.