Von Straßenatlanten, Zelthierarchien und viel, viel Sand
Hitze!
Die Sonne brennt schon morgens mit voller Kraft am Himmel, kaum auszuhalten ist es an diesem Morgen in unserem kleinen 6-Bett-Zimmer. Das Bad ist vor gleißendem Licht nur mit Sonnebrille zu betreten und wir beeilen uns fortzukommen, raus aus dem Hostel, raus aus der Stadt. Und zwar mit dem Mietwagen, einem Ford Territory, der uns in den nächsten Tagen noch ans Herz wachsen wird. Bei der Buchung des Wagens von Deutschland aus haben Martin und ich penibel darauf geachtet, ein Navi mitzubestellen - bei einer Strecke von über 1000 Kilometer eine sinnvolle Investition, dachten wir. Leicht perplex bin ich daher, als mir der Angestellte der Mietwagenfirma auf unsere Nachfrage einen 500 Seiten starken Autoatlas in die Hand drückt. Und dann gleich noch einen zweiten, für New South Wales nämlich, das eben war erst Victoria! Der nette junge Herr fragt uns noch, ob wir schon Erfahrungen mit dem Linksverkehr haben und wünscht uns dann good luck für die Reise…
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Victoria aufgeschlagen auf dem Schoß geht es los. „Erst mal raus aus Melbourne, dann ist das Schlimmste geschafft“, gibt sich Martin optimistisch. Und er soll Recht behalten. Die ersten 20 Kilometer aber sind trotz Klimaanlage schweißtreibend, der ungewohnte Linksverkehr und die fremde Stadt mit ihren sich kilometerlang dahinziehenden Vororten verlangen uns einiges ab. Leider auch unserem Ford, der sich beim Anfahren an der Kreuzung mit einem wesentlich stärkeren Truck anlegt und sich ein paar empfindliche Kratzer am Außenspiegel einfängt. „Links vom Lenkrad befindet sich entschieden zu viel Auto“, ist – nach einer Begutachtung des Schadens – Martins entschuldigender Kommentar. Die Mietwagenfirma wird es uns nachsehen, wird nicht auch ein Auto erst durch seine Falten und Schrammen so richtig interessant?
Melbourne hinter uns lassend wird die Fahrt entspannt. Wilde Tiere gibt es noch keine entlang der Straße, obwohl wir schon bald die berühmten gelben Warnschilder - „Kangaroos next 10 km!“ – sehen und gespannt Ausschau halten. Wir fahren durch eine recht unspektakuläre Gegend und passieren Orte, deren Namen weitaus interessanter sind als sie selbst: Koo Wee Rup, Korumburra und Leongatha klingen exotisch und verlockend. Schon jetzt bin ich insgeheim dankbar, dass wir kein Navi an Bord haben. Denn mit dem Finger auf der Karte buchstabiere ich die zum Teil unaussprechlichen Ortsnamen und kenne mich auf unserer Strecke in Kürze bestens aus. Während ich mich also mit Victoria in Papierform anfreunde, schließt Martin unseren Ford ins Herz und so kommen wir zügig voran und abends erreichen wir unser erstes Tagesziel: den Wilsons Promontory Nationalpark, kurz The Prom. Schon die Aussicht auf die Halbinsel ist beeindruckend. Die Straße windet sich eng an der Küste entlang und führt dann durch die Vegetation der Insel. Der Straßenrand geht sofort in dichtes Buschwerk über und mehrfach kann ich mümmelnde und neugierige Wallabies ausmachen, die hoch aufgerichtet den wenigen Autos hinterherschauen. Toll! Scheu ist hier Fehlanzeige, Australiens Tierwelt ist an keine bedeutenden Fressfeinde gewohnt und weist nur geringe Fluchtinstinkte auf.