Für heute ist ein langer Fahrtag nach Puerto Ayacucho im Süden an der Grenze zu Kolumbien angesagt. Puerto Ayacucho ist das Tor zum Amazonastiefland und damit zum Regenwald. Es ist schon am frühen Morgen sehr heiss. In einem grossen Supermarkt kaufen wir noch für unser Mittagessen ein, und ich staune wieder mal über die Preise hier. Für 3 Äpfel zahle ich 3 Euro, für 2 Sandwiches 7 Euro. Kein Wunder, dass keine Kunden in dem Laden sind. Die meisten Leute kaufen auf öffentlichen Märkten, wo es billiger ist. Dafür müssen sie aber stundenlang anstehen. Das Durchschnittseinkommen der Venezolaner liegt bei etwa 300 Euro im Monat, die Renten liegen ähnlich. Frauen gehen mit 55 Jahren in Rente, Männer mit 60. 
 
Erstaunlich, dass es nicht mehr Unfälle auf den Strassen gibt, denn in Venezuela gibt es keinen Führerschein. Jeder bringt sich das Fahren irgendwie bei und legt los. Rote Ampeln werden genau so ignoriert wie die Vorfahrt, und rechts überholen ist normal. Blinker kennt hier auch keiner. Ich bin allerdings sicher, dass unser Gustavo sehr wohl eine Fahrprüfung abgelegt hat, sonst würde man ihm wohl kaum einen neuen Bus mit weissen Turistas anvertrauen. Und er fährt wirklich sehr gut und immer den Gegebenheiten angepasst.
 
Die Landschaft wird immer ursprünglicher und einsamer, nur ab und zu mal ein kleiner Ort an der zeitweise sehr schlechten Strasse, dafür viele Lagunen mit Reihern und auch weitflächige Überschwemmungen. Die Rinder stehen oft bis zum Bauch im Wasser. Plötzlich tauchen rechterhand ganz unvermutet recht grosse Sanddünen auf, die man hier wirklich nicht vermutet. Wir laufen auf eine hinauf und schauen in die umliegende Umgebung. Direkt am Fusse der Dünen befinden sich Sümpfe mit Wasserpflanzen darin. Was für Gegensätze!
 
Auf schlaglochübersäter Strasse und später roter Lehmpiste kurven wir mühsam voran. Gustavo kreuzt von einer Strassenseite zur anderen, um uns möglichst wenigen Hopsern auszusetzen. Wir queren etliche Flüsse über nicht sehr Vertrauen erweckende Brücken und fahren durch menschenleere Weite. Am Rio Carpanaparo steigen wir aus und laufen bei unerträglich schwüler Hitze über die Brücke. Die Indios mit ihren Einbäumen auf dem Fluss sehen malerisch und zeitlos aus.
 
Am Cano la pica, einem weiteren Fluss, sehen wir zum ersten Mal die Morichepalme, aus deren Wedeln die Dächer der Indios gedeckt werden. Ausserdem flechten sie alles Mögliche aus diesen Palmblättern. Ab hier ist Indianerland mit 29 Stämmen im ganzen Land. Ab und zu sehen wir die mit Palmblättern gedeckten Hütten.

{{g_ads}}