Wie ein bis in die Unendlichkeit reichendes Schneefeld breitete sich der Wolkenteppich unter uns aus und ich konnte von dem Panorama, das sich uns bot, gar nicht genug kriegen. Der ´Mount Meru`, „nur“ viereinhalbtausend Meter hoch, blinzelte durch die Wolken. Ich konnte mir vorstellen, wie gut man den Kilimanjaro von dort aus beobachten konnte, wie majestätisch er über den Wolken thronte. 

 Der Blick auf den Kibo war phantastisch, ich lag in meinem Zelt und schaute durch die Zeltöffnung direkt auf den Berg. Irgendwas roch allerdings ganz komisch, ich verfolgte den Geruch und stieß mit meiner Nase auf die Bergschuhe, die ich zum Lüften am Zelteingang hingestellt hatte. Der Wind wehte wohl aus der falschen Richtung, und um mich nicht zu vergiften stellte ich die Schuhe besser an die andere Seite vom Zelt. Meine Wandersocken hatte ich unter den Zeltschnüren  zum Trocknen festgeklemmt, und im Wind wehten sie wie kleine Siegesfahnen.

 Es herrschte geschäftiges Treiben, immer mehr Menschen erreichten den Lagerplatz. Solange es noch einigermaßen warm war, wollte ich versuchen, etwas zu schlafen. In Gedanken ging ich noch einmal den ganzen Tag durch und meine Träume verliefen sich in der Zukunft, Bilder vom Gipfel erschienen mir im Traum, vom Sieg über den Berg und von dem Gefühl, frei wie ein Vogel über den Wolken zu schweben.

Ich musste ziemlich lange geschlafen haben, die Sonne stand nicht mehr so hoch am Himmel und die Kälte kroch aus dem Tal herauf. Ich öffnete die Augen um mich davon zu überzeugen, dass alles nur ein Traum war, und ich den Berg noch vor mir hatte.

Doch wo war mein Berg, der eben noch vor meinem Zelt gewartet hatte?  Anstelle des Kibo türmte sich vor mir ein Berg aus Zeltplane auf. Ich musste sehr tief geschlafen haben, dass ich noch nicht einmal merkte, wie direkt vor meinem Zelt ein weiteres großes Zelt aufgestellt wurde und mir nun den Blick versperrte.

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Ich wollte mir mal ein bisschen die Umgebung ansehen und machte mich mit meinem Photoapparat auf den Weg. Unser Nachtlager wurde im Westen von Felsen abgegrenzt, die auf eine Anhöhe führten. Dort wuchsen auch wieder einige Bäume, die im Schutz der Felsen gediehen. Trotzdem hatte der Wind sie verformt, gekrümmt oder sogar zerstört. Mein Weg führte durch ein kleines Tal, vielleicht nur knapp 50 Meter breit, und zur Mitte hin wurde es immer sumpfiger. Ich musste gut aufpassen wo ich hintrat, denn das Gras, das festen Boden unter sich vermuten ließ, schwamm oftmals nur trügerisch auf dem Wasser. Und nasse Schuhe konnte ich mir nun wirklich nicht erlauben. Außer mir war dort kein Mensch zu sehen, es war wie in einem Märchen. Ein kleiner Vogel begleitete mich, als ob er mir seine Welt zeigen wollte und zwitscherte mir Geschichten in seiner Sprache zu. Von den Baumgerippen hingen Flechten herab und verliehen der Szenerie eine magische Atmosphäre. Ich machte einen Bogen nach Norden um mich nicht zu weit vom Camp zu entfernen. Es ging etwas bergauf und noch rechtzeitig erreichte ich die Spitze der Kuppe, um von dort aus ein tolles Schauspiel zu beobachten. Die Dämmerung brach ziemlich schnell an und kulissenhaft schoben sich die Bergkämme hinter dem Shira durch die Wolkendecke. Die Sonne verschwand langsam in den Wolken und tauchte den Kibo hinter mir in ein rot–orangefarbenes Licht. Michael kam nun auch vom Camp herauf und setzte sich auf einen Felsen neben mir und bewunderte ebenfalls das Schauspiel. Bevor es ganz dunkel wurde, kehrten wir zum Camp zurück.

 

 

 Das Abendessen war auch schon fertig, und der heiße Tee tat uns richtig gut. Während ich meine kleine Photoexkursion in die Natur genossen hatte, waren die anderen Holz sammeln gewesen. Am Lagerfeuer machten wir es uns gemütlich, doch die meisten waren müde und gingen wieder früh schlafen. Nur Thomas, Michael und ich wärmten uns am Feuer und beobachteten den Sternenhimmel. Die Luft war hier oben so klar, dass wir viel mehr Sterne sahen als bei uns zu Hause in Deutschland. Mal sehen, wer als erster eine Sternschnuppe entdeckte.

Hoffentlich dauerte es nicht zu lange mit der Sternschnuppe, ich fing nämlich langsam an zu frieren. Dem Michael wurde es auch bald zu kalt, denn er verabschiedete sich und verschwand in sein Zelt. Wir unterhielten uns noch ein wenig und Thomas erzählte von früheren Reisen, von denen mich vor allem die Reise nach Nepal interessierte. Aber das war mal wieder typisch: ich hatte noch nicht einmal mein Ziel hier erreicht, und träumte schon von der nächsten großen Eroberung. Die Aussicht, bald eine Sternschnuppe zu sehen, war nicht sehr groß, und so beschlossen wir, auch schlafen zu gehen. Wie in der letzten Nacht hatte ich auch in dieser Nacht Schwierigkeiten, den Schlafsack aufzuwärmen. Ich nutzte nur ungefähr ein Drittel des Schlafsacks, ganz klein zusammengerollt  lag ich im Fußteil und hoffte, dass noch genug Luft herein kam, damit ich nicht ersticke. Diese Nacht erschien mir sogar noch kälter als die letzte und ich hatte Mühe einzuschlafen.