Morgens um sechs beginnt der Tag für uns kühl und windig mit einem schnellen Frühstück im Freien. Weil sich die Sonne am Vormittag nicht blicken lässt, verschieben wir sämtliche Wassersportpläne auf den Nachmittag und suchen stattdessen das Griffiths Sea Shell Museum auf, das mit 90.000 Muscheln aus aller Welt lockt. Obwohl vom Reiseführer empfohlen, haben wir doch den Eindruck, das Wohnzimmer eines eigentümlichen, wenn auch sammlerisch ambitionierten älteren Ehepaars zu betreten. Wie ein Museum sieht es hier nicht aus, auch wenn sich in den zahlreichen Vitrinen des muffigen Raumes in der Tat mindestens 90.000 Muscheln feinsäuberlich aufgereiht sind. Gefühlt sogar noch ein paar mehr. Persönliche Erinnerungsstücke und Fotos der sammelnden Hobbytaucher vervollständigen die Muschelmassen und ein paar alterschwach ächzende Korbstühle laden zum besinnlichen Betrachten der aufgestellten Topfpflanzen ein. Als Krönung wird das Ganze von einer hypnotisch leiernden Countrymusik untermalt, wir sind hingerissen. Yeehaw! Dass im Nebenraum eine Modelleisenbahn durch eine Miniaturlandschaft schnauft, scheint uns als Ergänzung der Sammlung schon fast logisch. Trotz oder wegen aller Absurdität verbringen Martin und ich eine amüsante Stunde im Sea Shell Museum. Bei einem Kaffee danach führen wir in aller Ruhe unser tägliches Reisetagebuch fort. Sonst schreiben wir meistens abends im Zelt, was aber manchmal dazu führt, dass ich mittendrin einschlafe. Da passt uns das schlechte Wetter heute ganz gut, um den gestrigen Tag gewissenhaft nachzutragen.
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Mittlerweile hat sich das Wetter wenigstens etwas gebessert. Zwar hat der Wind noch weiter zugenommen, aber immerhin scheint die Sonne wieder. Für etwaige Segelaktivitäten ist es aber doch zu stürmisch und daher nehmen wir mit einer dreistündigen Bootstour vorlieb. „Seals and Dolphins“ heißt sie etwas hochtrabend, denn der einzige Seehund, den wir sehen, ist Bootshund Molly. Die seetaugliche Mischlingsdame wuselt stilecht mit einer Schwimmweste bekleidet über Deck und ist everybody’s darling. Aber auch ohne Delfine ist die Wasserlandschaft, die wir jetzt kennenlernen, beeindruckend schön. Auf den Inseln leben Kängurus, nisten Pelikane und Kormorane und in der schmalen Enge, die Lakes Entrance seinen Namen gab, ergießt sich die Meeresbrandung mit weißer Gischt in die türkisblauen Fluten der Seenplatte.
Wir haben immer noch nicht genug von Wind und Wasser und begeben uns spätnachmittags an den Strand. Am Ninety Mile Beach türmen sich meterhohe Wellen und der Wind lässt Sandkörner wie feine Messerstiche auf unsere nackten Arme und Beine prasseln. Trotzdem genießen wir die Naturgewalt und finden in der auslaufenden Brandung Schutz vor dem ungewollten Peeling. Wann erlebt man die Natur schon so überschäumend und kraftvoll!