Nach diesem aufregenden Erlebnis brechen wir auf zu einer kleinen Wanderung. Ausgestattet mit reichlich Wasser, Fotoapparat, Hut und Wanderstiefeln stapfen wir in der ersten Hitze des Tages bergan. Viele Wanderer gibt es hier wohl nicht, es geht über Stock und Stein und der ausgewiesene walking track verengt sich mehr als einmal zu einer schmalen Spur zwischen Felsen, hohen Gräsern und undurchdringlichem Buschwerk. Ich bemühe mich fest aufzutreten, nicht nur, um in dem unwegsamen Gelände nicht umzuknicken, sondern auch, um etwaige Schlangen frühzeitig auf- und damit abzuschrecken. Das habe ich in meinem Dumont gelesen und ich lache zwar über mich, aber es scheint mir ein immerhin praktikabler Rat. Außerdem gehe ich voran: Nach langem Abwägen habe ich entschieden, dass lieber ich von der Schlange gebissen werden möchte und nicht Martin. Nicht, dass ich da besonders scharf drauf wäre. Aber bei dem Gedanken, meinen sehr viel größeren und schwereren Freund auf der Suche nach Hilfe durch australisches Gehölz zu schleifen, scheint mir noch weniger wünschenswert. Für alle Fälle rekapituliere ich trotzdem die Notfallmaßnahmen. Immerhin lehrt der weise Dumont auch, dass Schlangenbisse weder ausgesaugt noch aufgeschnitten werden sollen. Stattdessen möge man das Bein ruhig halten sowie gleichzeitig – und jetzt wird es lustig – die bissfreudige Schlange nach Möglichkeit fangen, töten und dem herbeigerufenen Notarzt zur Bestimmung des Gegenserums vorzeigen. Na klar, wenn’s weiter nichts ist! Überhaupt bleiben die Notfallratschläge meines Dumonts hinter der Qualität seiner Reisetipps zurück. Schon während der Reisevorbereitungen musste ich, nicht ganz ohne Entsetzen, lachen: „Von den ca. 1500 verschiedenen Spinnen Australiens gelten 30 als giftig. Nur zwei Giftspinnen können allerdings dem Menschen gefährlich werden: die Trichternetzspinne, deren Verbreitung auf den Großraum Sydney begrenzt ist, sowie die Rotrückenspinne, die überwiegend in Trockenregionen vorkommt. Beim Biss einer Trichternetzspinne sollte man ebenso vorgehen wie beim Biss einer Giftschlange.“ Absatzende. Und bei der Rotrückenspinne? Was muss man da machen? Hallo?? Doch hier schweigt der Ratgeber.
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Ich vermute im Stillen, dass Notfallmaßnahmen beim Biss einer Rotrückenspinne überflüssig sind, weil man sofort tot umfällt oder Schlimmeres und will es gar nicht so genau wissen. Kräftigen Schrittes und wider Erwarten ungebissen erreichen Martin und ich den Clear Point. Der Aussichtspunkt belohnt unsere kurze, aber schweißtreibende Wanderung mit einem Panoramablick über unsere Kängurubucht und den weiteren Küstenverlauf. Grünbewaldete Hügel fallen mal sanft, mal steil ab in das dunkelblaue Meer, während über uns einige hohe Schleierwolken den hellblauen Himmel durchziehen.