Nach der Zollabfertigung sind wir nun also im ehemaligen Ostpreußen und fahren nun in Richtung Olsztyn, dem ehemaligen Allenstein, wo wir allerdings nicht haltmachen. Auch an Elk fahren wir vorbei, hier wurde Siegfried Lenz geboren, der seiner Heimat in vielen Büchern ein humorvolles Denkmal gesetzt hat.

 

Pünktlich am Spätnachmittag ziehen wieder dunkle Wolken auf, die einen kurzen, kräftigen Regen bringen. Aber wir sitzen ja im trockenen Bus und fahren durch herrliche Alleen aus Eichen, Linden oder Kastanien. Die Straßen sind holprig und in schlechtem Zustand, aber wir erreichen am Spätnachmittag doch unser Ziel Mikolajki, ein kleines Städtchen mit ca. 6.500 Einwohnern, das mittlerweile völlig vom Tourismus lebt. Auch wir werden hier 3 Übernachtungen haben und müssen nicht jeden Tag Koffer schleppen und ein neues Bett ausprobieren. Unser “Hotel Golebiewski” liegt direkt am Talty-See und ist eine riesengroße Anlage mit 575 Zimmern, die oft voll belegt sind, d.h. an die 1000 Menschen müssen hier versorgt und verpflegt werden. Hier muß man schon ein Jahr im voraus buchen, wenn man mit einem ganzen Bus ankommt. Auf dem Parkplatz stehen auch schon etliche Busse und jede Menge PKW, vor allem polnische, aber auch aus Deutschland sind etliche dort. Für die Nord- oder Ostdeutschen ist die Strecke bis Masuren noch ganz gut zu bewältigen. Vom Bodensee aus müsste man drei Tage rechnen. Zum Hotel gehört u.a. ein großes Erlebnisbad mit einer Riesenrutsche von 74 m Länge und großer Liegewiese. Auch ein Reitstall gehört dazu und man kann Boote jeder Art mieten, ebenso Fahrräder. Hubschrauberflüge über die masurische Seenplatte werden ebenso angeboten wie Ballonfahrten. Es gibt Tennis- und Volleyballplätze und in der Nähe auch einen Golfplatz. Da weiß man gar nicht, was man zuerst machen soll.

 

In meinem Zimmer habe ich direkten Blick auf den Talty-See und endlich mal keine Klimaanlage. Inzwischen hatte nämlich schon wieder eine Bindehautentzündung davon, und lieber schwitze ich ein bißchen, als ständig künstlich gekühlt zu werden.

 {{g_ads}}

Dann gehe ich gleich zum Pferdestall und informiere mich über die Reitmöglichkeiten. Der Stall ist sehr schön luftig, und die Pferde stehen in großen, sauberen Ställen. Viele Pferde sind draußen auf der riesigen Koppel, die sich über sanfte Hügel hinzieht. Sie sehen gesund und munter aus, es sind auch einige Fohlen dabei und zwei Scheckstuten. Mir scheint, daß es die Tiere hier guthaben. Ein großer Sandplatz gehört dazu, aber man kann auch geführte Ausritte machen, und genau das reizt mich hier. Zwar habe ich seit 16 Jahren nicht mehr auf einem großen Pferd gesessen, aber angeblich verlernt man das Reiten ebensowenig wie das Radfahren, wenn man es einmal konnte. So melde ich mich ganz mutig für einen Ausritt am folgenden Mittag an.

 

Unser Abendbüffet ist umwerfend gut, unsere Augen werden immer größer, und vor allem am Dessertbüffet sieht man strahlende Augen überall. Es sind zwar unglaublich viele Menschen im Restaurant, aber die Mädchen am Büffet flitzen und bringen fleissig Nachschub. Ich frage in unserer Gruppe herum, wer auch Interesse an dem Hubschrauberflug hat. Schließlich sind wir vier Leute, und ich gehe zum Hubschrauber, der auf einer Wiese unweit des Hotels steht und melde unseren Flug für 8.00 Uhr am nächsten Morgen an. Wer weiß, ob ich jemals im Leben noch so problemlos zu einem Hubschrauberflug komme, und ich stelle mir den Blick von oben auf die masurischen Seen sehr eindrucksvoll vor.

 

Später am Abend treffen noch etliche Busse mit deutschen Reisenden ein, das Hotel ist voll belegt, und überall wimmelt es von Menschen. Viele bummeln abends noch durch das Hotel, in dem es auch einige Geschäfte und natürlich weitere Restaurants und Bars gibt und auch eine große Terrasse, wo man noch sitzen und etwas trinken kann. Vor dem Hotel befindet sich ein großer Teich mit Springbrunnen und Seerosen und lauschigen Lauben.

 {{g_ads}}

Am Samstag, 26.07. bin ich früh munter und frühstücke schon um 6.30 Uhr. Ich bin voller Tatendrang und freue mich auf einen sportlichen Tag ohne busfahren, denn ich habe mich für das heutige Programm abgemeldet, um einen Tag für mich zu haben. Ich brauche jetzt einfach mal eine Pause und Bewegung an frischer Luft. Die Luft ist allerdings schon früh am Morgen schwülwarm. Kurz vor 8.00 Uhr finden wir uns beim Hubschrauber ein, und einige unserer Gruppe sind zum zuschauen auch gekommen und machen Fotos von uns vor dem Hubschrauber. Dann steigen wir ein, schnallen uns fest und setzen die Ohrschützer auf, denn der Hubschrauber macht einen Höllenlärm. Dann steigen wir auch schon rasant auf und haben im Nullkommanichts Höhe gewonnen und sehen nun die Welt von oben. Erst jetzt kann man sich ein Bild von den vielen ineinander übergehenden grösseren und kleinen Seen machen, erst jetzt sieht man, wie dünn die Landschaft besiedelt ist, nur hin und wieder taucht ein kleines Gehöft auf zwischen Wiesen und großen dunklen Wäldern. Man kann jede einzelne Gans erkennen. Auch der Ort Mikolajki liegt wunderschön unter uns am Wasser. Überall ringsherum glitzert und funkelt das Wasser in der Sonne. Es ist etwas diesig, so daß wir keine große Weitsicht haben, aber trotzdem sieht die Landschaft wunderschön und friedlich aus. Schließlich haben wir einen großen Bogen gemacht und ganz schnell sind wir dann wieder beim Hotel und landen. Das war schon eine tolle Sache so früh am Morgen.

 

Dann leihe ich mir ein Fahrrad und radele gleich hinunter nach Mikolajki, das gerade erst erwacht. Ich stelle mein Rad ab und bummele die Hauptstrasse auf und ab und entdecke in den schönen Läden wunderschöne Bernsteinsachen. Für einige Lieben daheim erstehe ich einige davon. Am Ufer liegen zahllose Segelboote, aber auch kleinere Ausflugsschiffe warten auf Touristen. Es ist alles friedlich und still. Dann radele ich weiter durch den ganzen Ort. Am Ortsende finde ich dann auch ein Storchennest, in dem die Jungen gerade flügge werden. Sobald ich den Ort hinter mir lasse, wird die Straße so schlecht, daß das radeln wirklich kein Vergnügen mehr ist. Es gibt riesige Schlaglöcher, und die Gullys sind in Fahrtrichtung verlegt, da muß man höllisch aufpassen und kann nicht mit Muße in die Landschaft schauen. An sich wollte ich von Dorf zu Dorf radeln bis gegen Mittag, aber als ich mehr geholpert als gefahren im nächsten Ort ankomme, stelle ich fest, daß ich in einer Sackgasse bin und daß hier die Straße nicht einen Ort mit dem nächsten verbindet, sondern daß die Straße immer nur sackgassenartig von der Hauptstrasse zu dem jeweiligen Dorf führt. Man muß also immer wieder zurück zur Hauptstrasse und dort bis zur Abzweigung zum nächsten Dorf fahren. Das gefiel mir nun gar nicht, zumal die Polen fahren wie die Henker. Und dieser Ort hier stand in krassem Gegensatz zu Mikolajki, denn hier sahen alle Häuser trist und ärmlich aus. Einige Männer saßen vor den Hauseingängen, einige ältere Frauen arbeiteten in den Gärten, ansonsten tat sich hier gar nichts. Die jungen Leute hatten offenbar alle Arbeit in Mikolaiki und beim Hotel Golebiewski gefunden, dem größten Arbeitgeber weit und breit. So radelte ich also wieder zurück.