Die heutige Mittagspause machen wir bei einer wunderschönen Raststätte mit einigen Teichen und einem tollen Kinderspielplatz, der auch uns Erwachsene anlockt. Hier gibt es wunderschöne Wippen, die ganz liebevoll aus massivem Holz geschnitzt wurden und mit Wichteln oder Pferdchen verziert sind. Dann gibt es dort Bänke, an deren Enden Biber oder Murmeltiere sitzen oder Pilze und Wichtel. Ein großer Holzdrache reißt das Maul auf, und die Kinder können auf seiner langen Zunge auf den Boden herabrutschen. Ein richtig toller, phantasievoller Platz ist das hier. Viele von uns probieren die Wichtelwippe, und es macht auch uns Spaß. Für ein Foto müssen auch Brigitte und Rolf auf die Wippe, was sie natürlich gerne machen. Auf einem großen Findling direkt an einem Teich sitzt ein hölzerne geschnitzte Meerjungfrau ziemlichen Kalibers mit einer großen Heuschrecke auf der Brust. Witzig!

 

Unterwegs begegnen uns große Sattelschlepper voller gebrauchter PKW’s aus Deutschland. Ich schaue, ob ich meinen Corsa auch dabei entdecke, aber hier sind lauter größere Autos aufgeladen.

 

Litauen hat die abwechslungsreichste Landschaft der baltischen Staaten, es ist oft wellig und hügelig und damit lieblicher als Estland oder Lettland. Wir kommen auf unserer Fahrt an Kaunas vorbei, mit 400.000 Einwohnern der zweitgrössten Stadt des Landes. Hier gibt es das weltweit einzige Teufelsmuseum, in dem über 2.000 Teufel zu besichtigen sind. Leider haben wir keine Zeit für einen Besuch dort, das hätte mich schon interessiert und die Stadt natürlich auch. Wir machen dafür aber einen Abstecher nach Trakai, wo wir eine einmalig schöne Inselburg besichtigen können. Es ist die einzige gotische Wasserburg Europas, und sie sieht wahrlich eindrucksvoll und sehr malerisch aus inmitten einer schönen Seenlandschaft. Hier wird uns an vielen Ständen schöner Bernstein angeboten und auch viele Leinen-Kleidungsstücke. In dieser Gegend wird noch viel Lein angebaut, aus dem Flachs bzw. Leinen hergestellt und verarbeitet wird. Es sind wunderschöne Sachen dabei.

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Die Fahrt geht auf einer Nebenstrecke weiter. Überall an der Straße bieten die Leute selbstgesammelte Pfifferlinge und Heidelbeeren an. Leider steht uns kein eigener Herd zur Verfügung. Wir fahren durch traumhaft schöne Wiesen voller Blumen, vor allem Kornblumen, die weithin leuchten. Immer wieder denke ich, daß es herrlich sein muß, durch diese Wiesen zu reiten. Wer weiß, vielleicht mache ich auch das noch eines Tages.

 

Schließlich kommen wir unter einem dunklen Gewitterhimmel in Vilnius an, das nur 80 km von der russischen Grenze entfernt liegt. Wir sind im brandneuen “Reval Hotel Lietuva” untergebracht, das erst im Mai eröffnet wurde und noch sehr nach “neu” riecht und das so modern ist, daß ich es steril und kalt empfinde. Das mag ich nicht so gerne. Nach dem Abendessen marschiere ich gleich wieder los in Richtigung Stadt. Das Gewitter ist zwar vorbei, aber es ist immer noch schwülwarm. Vilnius ist eine große Stadt voller Baustellen. Ganze Straßen werden aufgerissen und ganze Häuserzeilen sind eingerüstet. Viele Häuser wurden schon schön restauriert. Ich laufe stundenlang kreuz und quer durch die Stadt auf der Suche nach der Mitte, dem Herzen der Stadt, aber ich finde es nicht. Liegt es an mir oder am Stadtplan oder gibt es dieses Herz hier nicht? Auf der großen Flaniermeile und vor der bombastischen Kathedrale tummeln sich Tausende junger Leute, vor allem junge Damen stolzieren wie Mannequins auf und ab. Alle sind uniform modisch gekleidet. Da komme ich mir geradezu exotisch vor. Ein Pärchen tanzt Tango, andere schauen zu. Seltsam, in dieser Stadt finde ich kein Plätzchen, das mich begeistert. Und so laufe ich wieder zum Fluß Neris, an dessen gegenüberliegendem Ufer unser großes Hotel steht, das ich mittels Fußgängerbrücke rasch erreiche. Dann gönne ich meinen geschundenen Füssen und dem Rest eine Dusche und falle ins Bett.

 

Der nächste Morgen begrüsst uns wieder mit strahlendem Sonnenschein. Unsere hiesige Stadtführerin heisst Nadja und ist ausgesprochen hübsch, spricht sehr gut deutsch und erklärt uns die Stadt mit viel Witz. Vilnius hat 650.000 Einwohner und ist so früh am Morgen gerade am Aufwachen.

 

Dann geht die Fahrt weiter zur 170 km entfernten Grenze nach Polen und weitere 160 km bis Mikolajki, dem ehemaligen Nikolaiken an der masurischen Seenplatte. Darauf freuen wir uns schon sehr. Wir fahren an prachtvollen Wiesen vorbei, in denen Störche nach Futter suchen. Auf einer frisch gemähten Wiese stolzieren etwa 40 - 50 Störche auf einmal hinter dem Mäher her, um Insekten und Mäuse zu fangen. Hier ist Landschaft pur. Pferdefuhrwerke schaffen Heu zu den Gehöften. Das Heu wird auf Holzgestellen getrocknet und von Hand auf die Karren geladen, wie vor vielen Jahren bei uns auch. In Polen gibt es noch 1 Mio Pferde, die vor allem in der Landwirtschaft, aber inzwischen auch wieder im Tourismus eingesetzt werden. Die vielen Seen und die sanfthügelige Landschaft wirken wunderschön verträumt und zeitlos. In Polen brüten noch 10.000 Storchenpaare, sogar der seltene und scheue Schwarzstorch ist in den geschützten Wäldern noch zu finden. Auch viele Biber bauen an den Seen ihre Burgen, und zahllose Vogelarten brüten hier. In den großen dunklen Wäldern sind auch Bären, Wölfe und Luchse zu Hause. Masuren ist ein Land für Naturliebhaber, die die Stille mögen.

 

An der polnischen Grenze heisst es wieder warten, denn die Zöllner machen Mittagspause. Hier stellen wir unsere Uhren wieder auf deutsche Zeit um. Brigitte informiert uns über Polen, das sich inzwischen zu einem sehr beliebten Reiseland entwickelt hat und weltweit an 13. Stelle steht. Polen hat 38 Mio Einwohner und über 10.000 Seen.