Die Luft war gegen Mittag so schwülheiß und drückend, daß man gar nicht vor die Tür mochte, und ich hatte direkt ein schlechtes Gewissen, daß ich den Ausritt gebucht hatte. Um diese Zeit sollte man den Tieren Siesta im Schatten gönnen. Da ich aber nur diesen einen Tag hatte und am Morgen schon alle Termine belegt waren, blieb mir nichts anderes übrig. Auch hatte ich ziemlichen Bammel vor diesem Ritt und keine Ahnung, ob ich überhaupt noch reiten konnte. Ich suchte mir also eine passende Reitkappe, und ein junger Pole brachte mir die schöne Scheckstute Kaskada, mit der ich auf dem Sandplatz ein bißchen üben sollte, um zu sehen, wie ich nach so langer Reitabstinenz klarkam. Kaskada war aber ganz offenbar müde und unwillig und zeigte keinerlei Interesse, das zu tun, was ich wollte. Ich hatte größte Bedenken, aber nach 10 Minuten rief der junge Mann “Auf geht’s” und schon waren wir auf einem Feldweg in Richtung Wiesen und Wald unterwegs. Dann folgte der erste Trab und ich rief mir alles in Gedächtnis, was ich mal gelernt hatte: Tiefer Sitz, Kniee an den Sattel, Absätze tief, Hände ruhig am Pferdehals. Und es klappte wie ehedem. Nach dem ersten Trab war meine Stute plötzlich wach und munter. Der junge Mann, der ein bißchen Deutsch konnte, sagte, daß die Pferde müde seien, weil sie derzeit von morgens bis abends geritten würden, was bei der Hitze sehr anstrengend sei. Und das ewige Reiten in der Sandbahn ist für die Tiere langweilig. Sie kommen seltener ins Gelände. Merkwürdig, daß Ausritte in dieser herrlichen Gegend nicht mehr gefragt sind als Reitstunden in der Bahn.

 

Wie auch immer, nachdem wir eine kleine Straße überquert hatten, kamen wir in den Wald. Auf wunderbar weichen Sandwegen (Heideland) ging es in flottem Trab dahin. Dann fragte mein Begleiter, ob ich mir Galopp zutraue. Ich traute mich, und was folgte, waren die schönsten und längsten Galoppstrecken meines Lebens. Sicher an die zwei Kilometer ging es auf weichem Boden flott dahin, die Kiefern flogen nur so an mir vorbei, und meine vordem so müde Stute legte ein Tempo hin, daß ich mich ganz schön konzentrieren mußte, um oben zu bleiben. Ich merkte richtig, wie das Pferd sich streckte und sich freute, endlich wieder mal ungebremst rennen zu dürfen. Danach gingen wir in Schritt, und Dutzende gieriger Bremsen stürzten sich auf die Pferde. Wir klatschten sie tot, wo wir sie erwischen konnten und ließen die Pferde am langen Zügel im eigenen Rhythmus laufen. Dann folgten abwechselnd wieder Trab- und noch weitere, lange Galoppstrecken. Die letzte war die schönste und schnellste, denn da wußten die Pferde schon, daß es wieder Richtung Stall ging. In solchem Tempo und auf solch wunderbaren Sandwegen bin ich noch nie geritten, es war aufregend und wunderbar prickelnd. Klatschnaß verschwitzt kamen wir alle vier schließlich wieder am Stall an. Mit wackligen Beinen stieg ich ab und hatte Mühe, gerade zu stehen. Mein Pferd wurde sogleich abgesattelt und in den Stall gebracht. Es hatte sich eine ordentliche Pause verdient. Ich hätte ihm gerne eine Möhre oder Zucker gegeben, aber füttern war hier streng verboten, was ich angesichts der Unvernunft und Ahnungslosigkeit mancher Zeitgenossen auch verstehen kann. Ich besuchte “mein” Pferd aber später noch einmal und hatte das Gefühl, daß es mich wieder erkannte. Auf jeden Fall ist dieser Ritt ein unvergeßliches Erlebnis für mich, und ich bin sehr glücklich, daß ich noch reiten kann. Dieser Ritt hatte allerdings - wie erwartet - einen gewaltigen Muskelkater zur Folge, den ich noch eine ganze Weile spüren sollte. Aber für mich gibt es kaum ein schöneres Andenken.

{{g_ads}}

Nach dem Ritt ging ich erst mal unter die Dusche, und nach einem kalten Zitronenwasser ging es mir wieder prima. Ich nahm das Fahrrad und radelte wieder nach Mikolajki, wo ich etwas essen und an der Promenade bummeln wollte. Wie entsetzt war ich aber angesichts des Rummels und der Menschenmassen, die ich nun am Nachmittag dort antraf. Hier war Tourismus pur, und ich kam mir vor, als wäre ich beim Ballermann auf Mallorca gelandet, einfach gräßlich. So kaufte ich in einem Supermarkt Getränke und was zu essen und radelte dann zurück zum Hotel. Dann legte ich mich eine Stunde auf’s Ohr und habe wunderbar geschlafen. Ich wollte eigentlich noch zum paddeln gehen, aber der Ritt hatte mich ziemlich geschafft. Ausserdem zogen wieder dicke dunkle Wolken am Himmel auf und ein frischer Wind blies. Es hatte inzwischen merklich abgekühlt. So ging ich nochmal zu den Pferden, bis die ersten Tropfen fielen. Dann war wieder Zeit für ein wunderbares Abendbüffet. Anschliessend sah ich mir noch einen Film über das Leben in Masuren vor dem Krieg an, eine Welt, die es so nicht mehr gibt.

 

Heute ist wieder Sonntag. Letzte Woche Sonntag waren wir im prächtigen Peterhof in Russland, heute sind wir in Masuren und haben ebenfalls einen wunderschönen Tag vor uns. Schon um 6.00 Uhr war ich am See, der friedlich im morgendlichen Dunst liegt. Dann gehe ich zur Pferdeweide, deren weitgezogene, sanftgeschwungene Hügel mich an die Mongolei erinnert, zumal inzwischen die Pferde dort friedlich grasen. Ein wunderschönes Bild.

 

Beim Frühstück sind selbst so früh am Morgen schon Massen von Menschen da, und es ist wirklich erstaunlich, wie reibungslos das Hotel mit diesem Ansturm fertig wird. Die Mädchen sind flink, freundlich und umsichtig, alles klappt reibungslos. Hier bekommen wir wunderbares Brot in vielen Sorten, was keineswegs selbstverständlich ist. Täglich reisen die Menschen busseweise an und ab, viele bleiben nur eine Nacht während der Durchreise, andere bleiben mehrere Nächte wie wir, und es gibt auch etliche, die hier 1 oder 2 Wochen Urlaub machen.