Schließlich kommen wir in einer der schönsten und größten Städte Polens an: Thorn an der Weichsel. Diese Stadt wurde im Krieg nicht zerstört, so daß sie das beste Beispiel für eine mittelalterliche Stadt darstellt. Hier haben wir Zeit für die Mittagspause und Besichtigung auf eigene Faust. Als wir aus dem klimatisierten Bus steigen, trifft uns fast der Schlag. Diese schwüle Hitze haut uns fast um. Laut Brigitte sind es 32, aber ich habe das Gefühl, daß es eher 40 sind. Sofort klebt einem jede Faser am Leib. Dennoch gehe ich zuerst auf die große Brücke über die breite Weichsel, die jedoch sehr wenig Wasser führt zur Zeit. Danach laufe ich am schiefen Turm von Thorn vorbei in die wunderschön restaurierte Innenstadt. Herrliche Häuser in Backsteingotik und Jugendstil gibt es hier zu bewundern. Gemütliche Geschäfte laden zum Bummeln ein, aber dafür ist es mir zu heiß. Ich kaufe ein paar Aprikosen und in einer feinen Bäckerei was “zum Kaffee” und schlendere dann an der Weichselpromenade und der alten Stadtmauer entlang zurück zum Bus, wo schon etliche der Gruppe in den Bus geflüchtet sind vor dieser Affenhitze.

 

Die Fahrt geht weiter durch Wald und Wiesen und wir dösen vor uns hin. Schließlich zieht sich der Himmel wieder zu, und ein Gewitterregen geht herunter mit der Folge, daß es schlagartig auf 20 abgekühlt hat. Wir fahren an Gnesen vorbei und kommen um 17.30 Uhr bei dunklem Himmel in Posen an. Diese Stadt hat 600.000 Einwohner und ist die wohlhabendste Stadt Polens. Wir überqueren über die Warthe und finden auch einen Parkplatz, damit wir ins Zentrum laufen können. Bald finden wir den wunderschönen großen Marktplatz, in dessen Mitte ein wahrlich imposantes Rathaus steht. Ringsherum gibt es wunderschön und liebevoll restaurierte Häuser, alle mit verschiedenen Giebeln versehen. Vor den Häusern rund um den Marktplatz ist ein Straßenlokal neben dem anderen. Jede Menge junge Leute laufen oder sitzen herum, aber zu unserem Erstaunen sind dies nicht mehr gepflegt-modische Jugendliche, sondern diese haben häßlich-schlampige Klamotten an, sind ungepflegt und viele laufen mit einer Bierflasche in der Hand herum. Polizisten laufen fortwährend herum, und ganz offenbar gibt es hier Alkohol- und Drogenprobleme. Also, hier in Posen würde ich ganz sicher nicht bis in die Nacht alleine herumlaufen wie ich das bisher immer machen konnte, denn in den baltischen Staaten habe ich nie Grund zur Sorge gesehen oder mich gar bedroht gefühlt. Hier jedoch sieht die Sache anders aus.

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Gegen 19.00 Uhr kommen wir im “Hotel Trawinski” an. Es gibt bald Abendessen, und da ich total müde bin, läuft heute sonst nichts mehr.

 

Am Dienstag, 29.07. wache ich mit einem mordsmässigen Muskelkater auf, laufe mich im Park gegenüber dem Hotel aber bereits um 6.30 Uhr warm. Nach einem wunderbaren Frühstück machen wir uns wieder auf den Weg ins 250 km entfernte Berlin. Ich denke darüber nach, daß wir heute vor 14 Tagen am Bodensee gestartet sind, aber durch die Vielzahl der Stationen und die unglaublichen Eindrücke in jeder Beziehung habe ich das Gefühl, schon monatelang unterwegs zu sein. Es wird Zeit für eine Pause, man kann das alles gar nicht so schnell aufnehmen und verarbeiten.

 

Brigitte liest uns auch heute wieder das Gedicht zum Tage vor. Immer findet sie das Passende, mal heiter, mal nachdenklich, mal tiefgründig-sinnig. Sie hat eine gehörige Portion Menschenkenntnis und dadurch “Tiefgang” und sensible Antennen be-kommen im Laufe der Jahre. Das macht sie mir sehr sympathisch.

 

Wir kommen zum Grenzübergang in Köstrin, wo wir noch schnell auf den Polenmarkt gehen. Dies ist ein riesiger überdachter Markt, wo es alles Mögliche und Unmögliche zu kaufen gibt, von der deftig-würzigen polnischen Wurst bis hin zu Möbeln und Schnickschnack. Es macht Spaß, durch das kunterbunte Angebot der vielen Gänge zu schlendern. An einem Stand entdecke ich leckere Pralinen, die wie Bonbons in Papierchen eingepackt sind. Für meine letzten Zlotys nehme ich eine Tüte voll davon mit.

 

An der Grenze kommen wir flott weiter, überqueren die Oder und sind nun wieder auf heimatlichem Boden. Brigitte legt das Deutschlandlied auf, und wir stellen fest, daß wir plötzlich keine “Ausländer” mehr sind. Die ganze Gruppe ist fröhlich und lacht. Jetzt zieht es uns nach Hause, aber bis dahin sind es noch fast etwa 900 km. In flotter Fahrt geht es nach Berlin, unserer Bundeshauptstadt mit 3,5 Mio Einwohnern, das 38 km breit und 45 km lang ist. Wir können den Fernsehturm schon von weitem sehen. Netterweise machen Rolf und Brigitte hier noch freiwillig ein Sonderprogramm für uns, in dem sie uns die wichtigsten Punkte dieser Riesenstadt zeigen. Ich war zwar schon zweimal in Berlin, das letzte Mal 1991, aber ich hätte die Stadt fast nicht wieder erkannt. Vor allem den ehemaligen Ostteil nicht. Hier hat sich dermassen viel verändert, wurde restauriert, wieder aufgebaut und überall sind riesige Baustellen. Kurz vor dem Brandenburger Tor leuchten mir Unmengen lebensgroßer, bunt angemalter Bären entgegen und ich bitte um Fotostopp. Daraufhin bekommen wir 45 Min. zum Aussteigen und Schauen, und ich wetze gleich rüber zu dem Platz mit den bunten Bären. Eine spanische Sängerin mit einer faszinierenden Stimme singt hier, und ich erfahre, daß diese 123 “United Buddy Bears” von Künstlern aus aller Welt verschieden bemalt wurden, für jede der 123 Nationen gibt es einen anderen Bär. Es gibt wunderschöne Exemplare darunter, und ich bin ganz begeistert davon. Später erfahre ich, daß die Bären bis November 2003 hier bleiben, danach gehen sie auf Tournee und sollen später versteigert werden. Auf einem besonderen Bär vor der Ausstellung stehen Albert Einsteins weise Worte: Frieden schafft man nicht durch Gewalt, sondern nur durch Verständnis. Wenn das bloß die Menschen kapieren würden!