Gegen Abend erreichten wir unser Tagesziel, nämlich das Riverland-Motel an einem wunderschönen See gelegen in Nachbarschaft zu einem riesigen Vollblüter-Gestüt. Da es noch sehr warm war, marschierte ich gleich los, um mir die Pferde anzuschauen. Auf den kilometerlangen Weiden tummelten sich schon etliche Fohlen. Die Amerikaner können mit Grund und Boden großzügig sein, denn sie haben wirklich genug davon. Manchmal dachte ich, daß sich die Großzügigkeit und Weite der Landschaft auch im Charakter der Amis ausdrückt, die sehr diszipliniert sind und nie drängeln in einer Schlange usw. Und erst recht lässig und freundlich sind sie beim Autofahren. Immer wieder habe ich gestaunt, daß hier weder gehetzt noch gehupt wird, gleichmässig fließt der Verkehr dahin, egal ob mittags oder zur rush hour auf 8-spuriger Autobahn. Das hat mir schon mächtig imponiert. Es geht also auch so. Wenn man als Fußgänger an der Straße steht, wird man sofort hinübergelassen. Diese Raser und Chaoten, die auf unseren Straßen rumdüsen, gibt es hier nicht, und logischerweise gibt es auch viel weniger Unfälle. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 55 Meilen, das sind etwa 88 Stundenkilometer. Inzwischen sind auf einigen, besonders gekennzeichneten Autobahnen 65 Meilen erlaubt, aber das ist immer noch bescheiden gegenüber unserem Tempo.

Am Abend saßen wir wieder beim kalifornischen Rotwein zusammen und erzählten Schwänke aus unserem Leben, lästerten über die Kräuterliesel aus der ersten Reihe, die beim Essen immer in Streß kam, weil sie soviele Vorräte horten und verstauen mußte. Man hatte den Eindruck, daß sie ständig was zu essen brauchte, dabei war sie sehr schlank.

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Sie stammte aus Sachsen, hatte einen "Schlafzimmerblick" - halbgeschlossene Augenlider - und war ständig gierig auf alles und daher Objekt für ausgiebige Lästereien. Im Laufe der Reise jedoch mußte ich erstaunt feststellen, daß sie mir trotzdem einigermaßen sympathisch wurde, wobei ich nicht weiß, ob ihre Gier nachgelassen oder meine Toleranz zugenommen hatte. Sie hatte jedenfalls einiges "auf dem Kasten" und war daher eine interessante Gesprächspartnerin.

Am nächsten Morgen lag der See im Nebel vor uns. Wir saßen bei aufgehender Sonne beim Frühstück und freuten uns auf den Tag. Da es schon jetzt warm wurde, fuhren wir zeitig los und kamen bald nach Bakersfield, einer häßlichen Ansammlung von Flachbauten und Ölpumpen und Raffinerien. Auf der Autobahn reichte uns doch so ein verrückter Ami eine Orange aus seinem PKW. Er renkte sich fast den Arm aus, um zu unserem Bus hochzulangen, aber er schaffte es, und wir lachten alle darüber.

Dann kamen wir langsam in trockenere Gefilde. Im April blüht hier noch alles, aber vier Wochen später soll alles braun und verdorrt sein. So genossen wir noch die vielen Blumen in allen Farben am Wegesrand und die wunderschöne Landschaft, die langsam immer hügeliger wurde. Von Zeit zu Zeit sahen wir kleine Doppeldecker, die über den Feldern Spritzmittel versprühten.