Es gibt übrigens zwei Wege hinab in den Canyon, der eine ist sehr anstrengend und steil - Kaibab Trail - und führt bis zum Colorado hinunter. Der andere heißt Bright Angel Trail und führt bis zum Indians Garden auf etwa 800 m hinab, also ungefähr die Hälfte des Canyons. Hier gabelt sich der Weg. Links kann man zum Plateau-Point mit herrlicher Sicht auf den Colorado laufen, rechts gibt es den Weg zur Phantom-Ranch, der ebenfalls bis ans Wasser führt. Ich marschierte also bei eisigem Wind und Minusgraden los, angekleidet mit meinem Skianorak und dicken Pullis drunter und hoffte, daß der eisige Wind bald nachlassen möge. Schon nach 100 Höhenmetern konnte ich den Anorak ausziehen. Es ging flott bergab über einen staubigen, steinigen und unebenen, schmalen Weg, aber dennoch ging es viel besser und schneller als erwartet, zumal ich staunend die plötzliche Ruhe und Einsamkeit in dieser grandiosen Felswelt feststellte und immer wieder Interessantes zu betrachten fand.

 

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Mir schwante zwar schon, daß es zurück sicher weniger flott gehen würde, aber das schreckte mich jetzt noch nicht. Alle paar hundert Meter blieb ich stehen und schaute mir alles genau an. Es wurde zusehends wärmer, und ich zog ein Kleidungsstück nach dem anderen aus. Es wurde richtig frühlingshaft. Oben war alles kahl und winterlich, hier blühten schon eine Menge unbekannter Blumen, und die Vögel sangen. Nach 1 ½ Stunden war ich im Indians Garden auf 800 m angekommen und fand dort zu meiner Freude eine Quelle vor, die seinerzeit die Indianer veranlaßt hatte, hier zu siedeln und die dem Plateau auch seinen Namen gab - Indianergarten! Hier blühte schon der wilde Flieder und die Mandelbäume sowie viele verschiedene Blumen. Auch Kakteen gab es hier in Mengen. Ich löschte meinen Durst und entschied mich dann, doch noch weiter zum Plateau Point zu laufen, weil ich von dort aus den Colorado sehen wollte. So lief ich also in der Ebene etliche Kilometer zwischen Sträuchern, Büschen und Kakteen hindurch. Hier entdeckte ich riesige Faßkakteen, die dick und behäbig in der trockenen Landschaft standen, aber leider noch keine Blüten zeigten. Auch den Hegehogcactus entdeckte ich, der hier schon viele feuerrote Blüten trug. Schließlich hatte ich 10 Kilometer zurückgelegt und wurde dafür fürstlich belohnt mit einer einmaligen Sicht auf den Grand Canyon und den Colorado, der sich durch diese ungeheuren Felsmassen schlängelt. Ich war total überwältigt und mußte mich erst einmal hinsetzen und durchatmen, weil ich kaum glauben konnte, was ich sah. Erlaufen und erschwitzt bekam ich sehr wohl eine Beziehung zu diesem Canyon, und ich wunderte mich jetzt, wie ich am Vortag enttäuscht sein konnte. Jetzt war allerdings auch die Sicht ganz klar und alle Konturen scharf.