Karl drängte zum Aufbruch, und weiter ging es an riesigen Artischockenfeldern vorbei, kilometerweite Flächen voller Mittagsblumen leuchteten, und schließlich erreichten wir nahe bei Santa Cruz unseren Campingplatz, der sich inmitten eines Waldes aus Redwoods, also Riesenbäumen, befand. Bevor die Sonne ganz unterging, machten wir noch einen Rundgang durch diesen Wald und konnten die Dimensionen dieser Holzgiganten nicht genug bestaunen. Mit elf Personen versuchten wir, so einen Riesen zu umfassen, es gelang uns aber nicht. Mindestens einer fehlte dazu noch.

Abends saßen wir doch tatsächlich mitten im Redwood State Park, löffelten unser Süppchen und schlotterten, denn die Hitze des Tages war wieder blitzschnell der Kälte gewichen, die wir allabendlich erlebten. Da wir ja immer im Freien saßen, bekamen wir eine ganz andere Beziehung zu Temperaturunterschieden wie im Alltag, den man ja gewöhnlich in zentralgeheizten Räumen verbringt. Wem würde es schon einfallen, nahe dem Gefrierpunkt im Freien zu frühstücken oder seine Suppe zu löffeln? Das bringen nur hartgesottene Rotelisten! Trotz des Kälte saßen wir noch ein Weilchen beisammen und genossen den feinen kalifornischen Rotwein.

Am nächsten Morgen mußten wir unsere Butter wieder hacken, weil sie nachts wieder gefroren war. Auch das klappte nur, wenn man zuvor das Messer in den heißen Tee oder Kaffee getaucht hatte, aber wir lachten nur darüber. Um 8.00 Uhr brachen wir dann auf nach San Francisco. Da unsere Reise ja in umgekehrter Richtung durchgeführt wurde, mußte ich das Tagesprogramm also immer von hinten her lesen und war manchmal ganz schön irritiert. Aber nach einer Weile war es mir schlichtweg egal, weil es überall so aufregend und schön war. Hauptsache, das Wetter spielte mit. Sonst konnte eigentlich gar nichts schiefgehen, denn die ganze Gegend war einfach phantastisch.

Wir begegneten an diesem Morgen zum ersten und einzigen Male dem berühmt-berüchtigten Nebel, der so oft an der Küste herrscht wegen des Temperaturunterschiedes zwischen Wasser und Land. Erst sahen wir den Nebel nur von Ferne über dem Pazifik, während wir noch in der Sonne fuhren, später aber war er auch auf’s Land gezogen. Wir verließen nun ein Stück weit die Küste, um dem Nebel auszuweichen und kamen durch eine fruchtbare Landschaft, in der viele Farmen lagen.

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Kaum waren wir zurück an der Küste, waren wir von dickem Nebel eingehüllt, der uns düster und bedrückend erschien nach soviel gehabter Sonne. Hier an der stark abfallenden Steilküste beeindruckte die enorme Brandung. Wir fuhren am Leuchtturm St. Pigeon vorbei und sahen dort jede Menge Robben am Ufer liegen. Wieder verließen wir die Küste, und wieder sahen wir große Farmen und Koppeln voller Pferde. Aber Reiter sahen wir keine. Unser Bus schnaufte wieder ganz schön, um eine Anhöhe zu nehmen, auf deren Punkt die St. Andreas-Spalte verläuft, an der die beiden großen Erdplatten sich treffen bzw. reiben und dadurch immer wieder zu schweren Erdbeben führen. Man hat ermittelt, daß etwa alle 70 Jahre ein großes Beben stattfindet, und nachdem 1906 das letzte große Beben war, bei dem die hübschen Holzhäuser von San Francisco durch die nachfolgenden Brände praktisch völlig zerstört worden sind, erwartete man nun jederzeit ein neues Beben. Je Länger die Abstände von einem Beben bis zum nächsten sind, desto heftiger soll das Beben dann werden. Deswegen hätte man lieber bald ein etwas weniger schweres Beben als in weiterer Zukunft ein katastrophales. Diese ganze Region um die St. Andreas-Spalte ist wegen der Erdbebengefahr völlig unbesiedelt, weil hier die Auswirkungen natürlich am stärksten sind. (Das nächste Beben ereignete sich dann sieben Jahre später im Januar 1994, es war gerade 14 Tage her, als ich zum zweiten Mal in Los Angeles war. Aber dazu später mehr).