Nach einem kurzen Schauer fahren wir mit dem Boot in einen anderen Seitenarm und wollen das Zuhause einer alten Caboclofrau besuchen, die Heinz seit Jahren kennt. Sie wurde über längere Zeit immer wieder von einer grossen Anaconda „heimgesucht". Das war ihr schliesslich doch unheimlich, und so hat sie die Schlange eines Tages mit der Schrotflinte erschossen. Die etwa 8 Meter lange Haut der Anaconda zeigte uns der Sohn, da die Alte nach Manaus gefahren war.
Fünf niedliche, vier Wochen alte Hundewelpen empfingen uns schwanzwedelnd vor dem Bretterhaus, aus dem die Armut aus jedem Fenster schaute. Hühner mit ihren Küken kratzten nach Fressbarem, eine magere Katze und die noch dünnere Hundemutter voller Flöhe strichen umher. Ein kleines Totenkopfäffchen ist angekettet und schreit jämmerlich vor Angst, als es uns sieht. Mich deprimiert das alles, aber die alte Frau will hier nicht weg, hat sie doch ihr ganzes Leben hier verbracht und kennt nichts anderes. Vielleicht empfindet sie es als ruhiges, idyllisches Fleckchen Erde.
Ihr Sohn zeigt uns den „Garten", eine unordentliche und ungepflegte Ansammlung verschiedener Fruchtbäume und Maniokpflanzen. In diesem mageren Sandboden gedeiht nichts, es wächst halt gerade so. Auf einem grossen blätterlosen Baum sitzen fünf 5 Riesentukane. In einem Mülleimer bei der Hütte stapeln sich die leeren Bierdosen. Unser Trinkgeld wird wohl auch gleich wieder in Bier umgesetzt. Diesen Eindruck macht jedenfalls der ziemlich runtergekommene Sohn.
Auf der Rückfahrt sehen wir noch einen abgestorbenen alten Baum im Wasser, der wie eine kunstvolle Skulptur indischer Götter aussieht. Ein richtiger Denkmalbaum ist das.
Ich dusche noch mal schnell und stelle meinen Trolley dann an der Rezeption ab. In der Freiluftbar treffe ich Heinz, der alle meinen Fragen zum Leben und Überleben im Urwald geduldig beantwortet. Ich erfahre, wie man mit Schlangenbissen richtig umgeht und dass ich es tunlichst unterlassen sollte, im Dunkeln hinter meine Hütte zu gehen, weil sich unter diesen Hütten gerne die Lanzenottern aufhalten. Ich war nämlich hinter meine Hütte gegangen und vor dem Urwald gestanden mit der Überlegung, ob ich mich alleine ein Stück weit hineintraue oder nicht.
Heinz erzählte mir auch, dass es recht häufig vorkommt, dass Wildtiere in der Stadt auftauchen, so zum Beispiel, dass eine 5 Meter lange Anaconda einen Kanaldeckel mitten auf der Hauptstrasse hochgedrückt hat und über die Strasse gekrochen ist. Sechs Feuerwehrleute hatten Mühe, das Riesentier zu bändigen und wieder hinaus in den Wald zu schaffen. Er selbst hat mal während einer Autofahrt ein Faultier mitten auf der Fahrbahn angetroffen und es auf den Beifahrersitz gesetzt und angeschnallt, wo es jedoch nicht sitzen blieb, sondern auf das Lenkrad kletterte. Schliesslich hat er es irgendwo unterwegs wieder in den Wald gesetzt. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob das nun Reiseleiter-Latein oder Tatsache ist. Jedenfalls fanden wir die Vorstellung von einem Faultier auf dem Beifahrersitz sehr amüsant. Ich wollte ja unbedingt ein lebendes Faultier sehen auf dieser Reise, aber in diesem Gebiet hier kommen sie nur sehr selten vor. Weiter den Amazonas stromabwärts gibt es sie anscheinend häufiger. Das Faultierprogramm wäre mir heute viel lieber gewesen. Da es im Pantanal auch keine gibt, muss ich wohl weiterreisen und weitersuchen.