Die riesigen Jacarandabäume blühen noch wunderschön lila, und wir geniessen diese friedliche Idylle sehr. Es ist heiss inzwischen, aber ein schönes Lüftchen weht. Etliche Riesentukane fliegen herum und werden von allen anderen Vögeln verjagt, weil sie Nesträuber sind und Eier und Jungvögel rauben. Sie sind unseren Elstern und Krähen ähnlich, nur viel viel schöner mit ihrem prächtigen bunten Schnabel und den wunderschönen blauen Augen und dem weissen Brustlatz.

Auf den Weidepfosten sitzen viele Kuckucke mit einem hellen, struppigen Kopf. Sie rufen auch ganz anders, und ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, in ihnen eine Kuckucksart zu sehen. Aber die Namen spielen gar keine Rolle, Hauptsache, es gibt viele Vögel zu beobachten.

Nach dem leckeren Mittagessen haben wir Siesta, aber wir sind soviel rumgesessen in Flughäfen, im Flieger, im Auto und heute im Boot, da fehlt mir die Bewegung. Und so laufe ich eine Stunde die Erdpiste entlang, auf der wir hier hergefahren sind. Es ist sehr heiss und drückendschwül und daher richtig anstrengend. Einen Riesenstier sehe ich einsam auf einer Weide, etliche Chacalacas machen einen Heidenlärm. Das sind hühnerverwandte Vögel, die von früh bis spät lauthals spektakeln und einem mit der Zeit richtig auf den Wecker gehen können. Genau so die grossen grauen Ibisse, die nervtötendes Geschrei von sich geben und zeitweise alles andere übertönen. Sie sind kilometerweit zu hören.

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Die Fazenda ist 2.500 Hektar gross und hat 1000 Rinder und 300 Pferde, dazu noch etliche Schafe, Hühner, Enten und Gänse. Schweine würden es in dieser Hitze nicht aushalten. Von den 300 Pferden leben 250 fast wild auf dem Gelände und sind ungezähmt. Von den verbleibenden 50 sind etwa 40 einigermassen gezähmt und eingeritten, und nur 10 eignen sich für Ausritte mit Gästen. Ich bin gespannt, wie ich mit den Pferden zurechtkommen werde, denn reiten will ich hier unbedingt.

Nachmittags hält Ulli uns einen interessanten Vortrag über das Pantanal, seine Entstehung und seine heutige Bedeutung und Nutzung. Danach gibt’s Kaffee und frisch gebackenen Kuchen, und dann ist es soweit. Sieben von uns Neunen wollen reiten, zwei fahren in einer Kutsche hinterher. Alfonso, ein Urgestein von Fazendeiro, sicher 70 Jahre alt und im Sattel mehr zu Hause als zu Fuss, fixiert jeden von uns und teilt dann entsprechend die Pferde zu. Ich bin die einzige mit Reiterfahrung und bekomme eine schöne braune Stute. Dann reiten wir auch schon los in Begleitung vom Seniorchef, Alfonso und natürlich Ulli, der hier das Reiten gelernt hat.

Durch viele Weiden reiten wir zwischen den Kühen mit den neugeborenen Kälbchen hindurch, vorbei an Fohlen und Pferden, öffnen ein Dutzend Weidetore und der letzte schliesst sie wieder. Blaue Aras fliegen kreischend über uns hinweg. Ein grosser Schwarm Geier sitzt auf einem Baum, das ist immer ein Alarmzeichen und Alfonso reitet hin, um nachzuschauen und findet ein totes Kalb. Diese Kühe leben ja halbwild und kennen weder Stall noch Melkmaschine. Natürlich bekommen sie ihre Kälber auch alleine, und da kann es eben vorkommen, dass eines tot geboren wird oder bald danach stirbt. Die Geier sorgen für die Beseitigung.

Nach einer Weile steigen wir für ein Päuschen ab, und Ulli erklärt uns den Sandpapierbaum. Tatsächlich sind seine Blätter so rau, dass die Leute sie früher als Nagelfeile verwendet haben. Dann entdeckt Ulli wieder einen grossen Ameisenbären jenseits des Zaunes. So leise wie möglich schleichen wir uns an und können schöne Fotos machen von diesem seltsamen Urviech ohne Zähne. Der Ameisenbär vertilgt jeden Tag 35.000 Ameisen – etwa 2,5 kg – und da sein Fleisch derart stark von Ameisensäure durchsetzt ist, graust es meist sogar den Jaguar davor. Somit hat er kaum Feinde. Sicher wird das eine oder andere Tier Opfer eines Pumas oder Mähnenwolfs, aber wenn andere Beute zu holen ist, wird die vorgezogen.