Der Amazonas ist 6.470 Kilometer lang und bewegt pro Sekunde 160.000 bis 200.000 Kubikmeter Wasser. Genug, um den Durst der gesamten Menschheit in einer Stunde zu löschen! Von Manaus bis zur Mündung in den Atlantik bei Belem sind es noch 1.600 Kilometer und noch 200 Kilometer weit ist im Atlantik das Süsswasser des Amazonas nachzuweisen. Was für ein gigantischer Strom!

Nach einer Weile legen wir auf einer grossen Insel im Fluss an und laufen über schwankende Bretter übers Wasser ans Ufer ins Dorf, wo unser Mittagessen in Büffetform auf uns wartet. Dieses Restaurant gehört ebenfalls zur Amazon Ecopark Lodge und das Essen ist ebenso gut. Hier konnten wir zum ersten Mal den sehr delikaten Arapaima-Fisch probieren, den wir eher für sehr zartes Geflügelfleisch gehalten hätten. Da unser Freiluftrestaurant auf hohen Stelzen steht, haben wir einen schönen Rundumblick und können an den Stämmen der Bäume am Flussufer sehr gut sehen, wie hoch das Wasser in der Regenzeit steht. Riesige Mangobäume hängen voll reifer Früchte, und grosse Schwärme kleiner grüner Papageien kreischen und schnattern im dichten Laub, so dass sie perfekt getarnt und daher unknipsbar sind. Nur wenn sie schwarmweise über uns hinwegfliegen, sieht man sie, und sie lärmen so wie die Starenschwärme in unseren Kirschbäumen. Überall liegen angefressene Mangos auf dem Boden.

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Jetzt zur Mittagszeit ist es schier unerträglich heiss und schwül. So sind wir froh, als wir auf dem Boot wieder Schatten und Fahrtwind haben und mit vollem Bauch gefahren werden. Die Fahrt dauert aber nicht lange, da sind wir schon in Manaus, das wir natürlich auch noch kennen lernen wollen, und legen an. Als wir aussteigen, haut uns die brüllende Hitze fast um und Christine meint in ihrem Wiener Dialekt ganz trocken: „Da is a kuschelig". Das fand ich zum Schreien komisch.

Ein durch Klimaanlage wahrlich eisgekühlter Transporter fährt uns durch das riesige Industriegebiet der Stadt ins Zentrum zur berühmten Oper, die die Kautschukbarone 1896 in ihrem Geldwahn nach dem Vorbild der Pariser Oper hier erbauen liessen. Nachdem die Engländer trotz aller Strafandrohungen Kautschuksamen nach Asien geschafft hatten und es dort gelungen ist, Kautschuk in Plantagen anzubauen, brach hier am Amazonas der Kautschukboom total zusammen. Die einstmals reichste Stadt der Welt wurde bedeutungslos und verkam. Auch die Oper stand bald leer und verfiel zusehends. Erst vor etwa 10 Jahren wurde sie aufwendig restauriert, und heute finden täglich Aufführungen aller Art statt, die entweder kostenlos oder sehr preiswert sind, damit auch die arme Bevölkerung am kulturellen Leben teilhaben kann.

Wir bewundern dieses Prachtgebäude ausgiebig. Allein die phantastischen Kronleuchter sind schon Schmuckstücke, dann auch die herrlichen Marmörböden und die Deckengemälde. Ausgerüstet mit Filzpantoffeln schlurfen wir über die wunderschönen Holzmosaike. Alles wurde in Europa hergestellt und nach hier geschafft. Was für ein Aufwand! Die Primaballerina Margot Fonteyn hatte hier ihren letzten öffentlichen Auftritt mit „Giselle". Ihre Ballettschuhe hat sie danach diesem Opernhaus geschenkt. Ihre zierlichen Schühchen von vielleicht Grösse 34/35 sind in einer Glasvitrine anzuschauen.

Nach einem Espresso im Café der Oper fahren wir weiter, um die Prachtvilla des deutschen Kautschukbarons Waldemar Scholz von aussen anzuschauen. Wahrlich ein eindrucksvoller Palast ist das und bis heute sehr schön erhalten.

Heinz informiert uns sehr nett und in genau richtigem Masse über alles Interessante. So zum Beispiel auch darüber, dass so nach und nach die Favelas (Slums) abgerissen werden, nachdem man den Bewohnern kostenlose Wohnungen gegeben hat, die ebenfalls staatlich finanziert werden. Wo gibt es so was sonst noch? In Manaus gibt es auch keine Strassenkinder mehr. Sie wurden alle aufgegriffen und ihren Eltern zurück gebracht mit der Auflage, die Kinder in die Schule zu schicken. Dafür erhalten die Eltern ein halbes durchschnittliches Gehalt vom Staat. Der Schulbesuch dieser Kinder wird regelmässig überprüft. Auf diese Weise haben die Kinder eine echte Zukunftschance.