Ab und zu mussten wir Wasser- und Sumpfgräben, die unseren Weg kreuzten, auf abenteuerlichen Baumstämmen überqueren. Manchmal lagen zwei Stämme längs nebeneinander, ein anderes Mal nur einer, so dass unser Gleichgewichtssinn gefragt war. Doch derjenige, der irgendwann einmal diese Stämme über die Gräben gelegt hatte, war uns wirklich gut gesonnen, denn hin und wieder gab es sogar ein grob gezimmertes Geländer, das im Notfall wahrscheinlich gar nicht so viel genutzt hätte (sehr dünne Stämme), aber uns aus psychologischer Sicht zumindest in Sicherheit wiegte. Mit den schlammbeschmierten Gummistiefeln war das gar nicht so einfach, ohne auf den manchmal nassen und schmierigen Stämmen auszurutschen und über diese hinwegzubalancieren. Ich hatte den Eindruck, dass Gummistiefel mit der Größe 40 am rutschigsten waren. Ich hatte nämlich Größe 40, und die kamen mir sehr rutschig vor. Hinzu kam noch, dass ich ja nicht schwindelfrei war (und es immer noch nicht bin), und allein wenn ich zu Hause auf die kleine dreistufige Haushaltsleiter stieg, war es mir schon zu hoch und ich bekam ein flaues Gefühl im Magen sowie weiche Knie. Wenigstens wäre ich in dem Schlamm weich gelandet...
Das Wandern durch den Dschungel gefiel mir. Es machte Spaß, dem gewundenen schmalen Pfad zu folgen. Und auch die glitschigen Baumstämme gehörten irgendwie dazu. Ich freute mich über jede neue Pflanze, die John und Richard uns erklärten, denn über die Pflanzen Südamerikas wusste ich eigentlich nicht sehr viel, nur dass einige von ihnen bei uns als Zimmerpflanzen gehalten werden. Mich haben schon immer die Tier- und Pflanzenwelt interessiert, und in Afrika hatte ich auch schon an einigen Field–Guide-Kursen teilgenommen, wodurch ich mich in der afrikanischen Fauna und Flora bald besser auszukennen schien als in unserer deutschen. Ich fand die Steppe eigentlich immer interessanter als den Regenwald. Die unendliche Weite und der Duft von trockenem Gras und der Erde. Wenn man dann vor einem Nashorn steht und nicht weiß wie es reagieren wird, und auch nicht weiß, wie man selber reagieren wird, wenn das Nashorn reagiert hat - das sind unvergessliche Momente. Aber nun war ich im Dschungel, und er gefiel mir genauso gut wie die Steppe. Nur hatte die Steppe immer noch den Vorzug, dass ich da nicht über Baumstämme balancieren musste.
Der Dschungel war leise. Erst in der Nacht hört man das Leben, das in ihm herrscht. In aller Ruhe folgten wir John und waren gespannt, welches Geheimnis des Waldes er uns als nächstes zeigen würde. Nichts Böses ahnend, wurde ich plötzlich durch laute erschreckte Rufe vom vorderen Ende der Gruppe aus meinen Träumereien gerissen. Es musste etwas passiert sein, wenn sogar schon die Männer aufschrieen (vielleicht wären wir Frauen auch leiser gewesen). Die Spitze der Schlange drängte nach hinten, aber ich war neugierig und wusste nicht, ob ich nun weglaufen sollte oder erst mal schauen, was dort eigentlich war. Da nahm mein Ohr auch schon das eine Wort wahr: „Boa!“ In gebührendem Abstand beäugten wir das riesige Tier. Sie beobachtete uns ebenfalls etwas abschätzend. Wusste sie, dass wir Angst hatten? Hatte sie auch Angst vor uns? Die Boa hatte sich wahrscheinlich genauso erschrocken wie John, der fast auf das der Länge nach auf dem Weg ausgestreckte Tier getreten war. Vermutlich hatte sie auch erschrocken laut aufgeschrieen, als er plötzlich vor ihr stand.