John sah mich auf der Treppe sitzen und setzte sich neben mich. Wir versuchten uns zu unterhalten, was bei meinen Spanischkenntnissen nicht gerade sehr leicht war und durch John´s Deutschkenntnisse nicht begünstigt wurde. Er sprach nämlich kein Wort deutsch. Mit Hilfe meines kleinen Wörterbuchs ging es dann doch. John fragte mich, warum ich denn nicht mit den anderen im Fluss schwamm und ich sagte ihm, dass ich erstens nicht in einen Fluss gehe, wo es Piranhas gibt, zweitens nicht in einem Fluss schwimme, in dem Kaimane lauern, und dass ich drittens sowieso in kein Gewässer gehe, wo ich den Grund nicht sehen kann. Und den konnte man in dem grün-braunen Wasser nicht sehen, obwohl es nicht tief war. Und ich hatte keinen Grund ins Wasser zu gehen.
Norbert und Birte amüsierten sich prächtig in den Fluten und auch den anderen schien es Spaß zu machen. Trotzdem, mich bekamen keine zehn Pferde hinein. Was Wasser betrifft, bin ich wirklich ein Angsthase, das gebe ich offen zu. An Land ziehe ich Begegnungen mit wilden Tieren vor, ich weiß ja nicht, welche Ungeheuer in so einem dunklen Gewässer auf mich warten, vielleicht taucht genau neben mir das Ungeheuer vom Amazonas auf? Nein Danke.
 
Gegen Abend, eine Stunde vor Sonnenuntergang, fuhren wir nacheinander in zwei Gruppen in einem kleinen Kanu auf den See hinaus. Die ganze Zeit hielt ich die Kamera in der Hand, nach der Anakonda Ausschau. Sie sollte zwischen sieben und acht Meter lang sein, also eine Größe, die sich nicht so leicht übersehen ließ.
Das Wasser war dunkel und absolut ruhig. Wir hörten nur das leise Eintauchen des Paddels. Vögel flogen von einem Ufer über uns hinweg zum anderen, es waren wieder die gelb-schwarzen Cassiques. In einem niedrigen Baum neben uns gluckste und blubberte es. Wir wussten sofort, dass es nur die komischen Urwaldtruthähne sein konnten, die immer noch nicht gelernt hatten, wie man als Vogel ordentlich krächzt oder zwitschert.
Mir kam der See wie ein stilles Paradies vor. Schilf, Palmen und große immergrüne Laubbäume, auf deren ausladenden Ästen Bromelien wuchsen, säumten das Ufer. Die waagerechte Linie des malerischen Ufers teilte das Bild in zwei spiegelgleiche Hälften, der Uferwald oben und das genaue Spiegelbild des Waldes auf dem Wasser.
Nach einer halben Stunde auf dem See kehrten wir zur Lodge zurück. Als wir ausstiegen, fragte die zweite Gruppe, ob wir die Anakonda gesehen hatten. Doch wir gaben nur ein enttäuschtes ,Nein´ von uns. Obwohl ich mich die ganze Zeit beobachtet gefühlt hatte, wir haben sie zwar nicht gesehen, aber sie uns. Da bin ich mir ganz sicher. Vielleicht war sie einfach nur etwas kamerascheu.