Bald sahen wir auch gefährlich anmutende Bäume, deren Stamm von oben bis unten mit spitzen Stacheln übersät waren und bestimmt auch ein Grund für die anfängliche Warnung gewesen sind, nichts anzufassen. Außerdem wussten wir nicht, was für unheimliche Tiere es da noch gab, die auch nur darauf warteten uns aufzufressen. Und einer Tarantel fasse ich auch nicht gerne auf  den Kopf.

 John zeigte uns eine Palme, Palmito genannt, aus der das Palmherz gewonnen wird. Nur der Terminaltrieb ist essbar, das heißt, wenn geerntet wird, dann geht die Pflanze ein. 

 Im Urwald gibt es kaum fruchtbaren Boden und die Humusschicht beträgt auch nur knapp 20 cm, der Rest ist für die Pflanzen unbrauchbar. Die Pambil-Palme stützt sich auf viele oberirdische vom Stamm abzweigende Wurzeln um Halt auf dem dünnen Boden zu haben. Aus der Pambil-Palme stellen die Indianer ihre Blasrohre mit den Pfeilen her, sowie aus dem schönen schwarzen Holz Schnitzarbeiten. Außerdem ist es auch ein beliebtes Holz für Möbel.

Auf unserer Wanderung kamen wir an einem runden, fast pflanzenleeren Platz vorbei, der in seiner Mitte von einem einzigen Baum beherrscht wurde. Es war der „Zitronen-Ameisen-Baum“, der eine Art Säure absonderte, die die anderen mit ihm konkurrierenden Pflanzen davon abhielt, in seiner näheren Umgebung zu wachsen. Aus seiner Rinde kann man einen Tee machen, der angeblich bei Magenschmerzen helfen soll. Als John ein Stück Rinde an einem Aste etwas aufbrach, sahen wir viele kleine Ameisen, die praktisch in diesem Baum lebten. Die Ameisen konnte man essen, Richard machte es uns vor: er brach ein Stück Ast ab und schüttelte ihn, damit den Ameisen da drinnen schwindelig wurde. Dann klopfte er den Ast so auf seine geöffnete Hand, dass die kleinen verstörten Tiere herauspurzelten und er sie nur noch mit seinem Finger in den Mund schob. Beim Draufbeißen, so sagte er, schmeckten die Ameisen nach Zitrone, weshalb sie auch „Zitronenameisen“  hießen. Wie ich schon beim gegrillten Meerschweinchen schrieb, probiere ich ja alles. Da ich in Afrika auch schon Termiten aus einem Elefantenhaufen herausgepult und gegessen habe, dachte ich mir, dass die Ameisen mir auch nichts anhaben konnten. Also nahm ich auch einen Teil von dem Ast, zog in einem Streifen die Rinde ab so dass die Ameisenstraße frei lag und feuchtete meinen rechten Zeigefinger im Mund an. Dann strich ich mit dem Finger die Ameisenstraße entlang und schleckte die klebengebliebenen Tierchen ab.


 

Tatsächlich, als ich drauf biss, hatte ich den Geschmack von Zitronen im Mund! Martina starrte mich ungläubig an, sie konnte nicht fassen, dass ich gerade tatsächlich die Ameisen probiert hatte und sogar noch einen Nachschlag nahm. Ich bot ihr auch welche an, aber sie lehnte dankend ab. Allerdings muss ich zugeben, dass sie zwar erfrischend waren, aber zum satt werden reichten sie nicht. Da musste man schon Abertausende davon verzehren.

Unser Trampelpfad führte durch Primärwald. So nennt man den ursprünglichen Dschungel, der noch nicht gebranntrodet oder abgeholzt worden und wieder aufgeforstet worden ist. Unten am Boden ist der Primärwald fast „nackt“, es gibt so gut wie keine Büsche und Sträucher oder sonstige niedrigeren Pflanzen, wir sahen fast nur lange, weit in den Himmel reichende Baumstämme. Nur vereinzelte Gewächse, die mit dem wenigen Licht, das noch den Urwaldboden erreichte auskamen, wuchsen hier unten. Bunte Blumen waren eine Seltenheit und wurden auch gleich von den Fotografen unter uns belagert.

Im Gegensatz dazu gibt es noch den Sekundärwald, der nach einer Rodung zum Beispiel nachgewachsen ist und nicht mehr so ursprünglich ist. Ihn zu Fuß zu durchqueren ist ohne Machete kaum möglich, da auch in Bodennähe alles zugewachsen ist. Sträucher und Büsche versperren den Weg. Ein Sekundärwald wird nie wieder zu einem Primärwald, wenn das alte ausgeglichene Ökosystem erst einmal zerstört ist. Deshalb ist es auch so wichtig, die bestehenden Primärwälder auf unserem Planeten zu schützen, denn wenn sie einmal verloren sind, kehren sie nie wieder.

Ich glaube, dass jeder Mensch, der einmal in so einem Dschungel war und gesehen hat, wie schön die ursprüngliche Natur sein kann, weiß, wie einmalig und schützenswert sie ist.