Wir gehen in die Post hinein. Die Angestellten überschlagen sich nicht gerade, als sie uns sehen und sagten erst einmal, dass sie keine Briefmarken hätten. Dann rückten sie viel zu teure raus, um nach einer Ewigkeit doch noch nachzusuchen und schliesslich mit einem Umschlag Marken kamen, die einen viel zu niedrigen Wert für eine Postkarte nach Europa hatten. So blieb nichts anderes übrig, als fünf Briefmarken pro Postkarte so übereinander zu kleben, dass nur der Wert der Marke sichtbar war. Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Postbesuch beendet war und manche hatten hinterher eine lahme Zunge vom Schlecken, denn den schwarz-grau schillernden Napf, der zum Anfeuchten bereit stand, hat niemand benutzt. Diese Bakterienschleuder dürfte locker 20 Jahre auf dem Buckel haben.
 
Ich wusste, dass oft die Marken wieder abgelöst und nochmals verkauft werden, so dass viele Karten nie zu Hause ankommen. Aber selbst wenn, dauert es anscheinend eine Ewigkeit, Cilfredo meinte, bis Weihnachten. Die clevere Maritta klebte jeweils nur eine billige Marke auf ihre Postkarten und liess diese abstempeln. Dann nahm sie die Karten wieder mit, um in Deutschland dann eine deutsche Marke aufzukleben und die Karten, versehen mit Weihnachtsgrüssen, im Dezember in den Briefkasten zu werfen. Diese Karten kommen garantiert an. Angesichts dieses Theaters habe ich überhaupt keine Karten geschrieben, dafür bekommen meine Lieben eben diesen Reisebericht.
 
Nach einer Stunde Fahrt kommen wir zu der schönen neuen Orinocobrücke. Nun sind wir im Bundesstaat Monegas und sehen grosse Industrieanlagen, in denen Stahl und Aluminium produziert werden. Bauxit für die Aluproduktion wird weiter westlich bei El Tigre abgebaut und mit dem Schiff auf dem Orinoco hierher transportiert. 200 Kilometer nach Osten mündet der Orinoco in einem gewaltigen Delta in den Atlantik. Es ist das fünftgrösste Flusssystem der Erde.
 
Die Landschaft wird trockener, und wir sehen hier häufig Säulenkakteen wachsen. Weithin gibt es keine Siedlung, kein Mensch ist zu sehen. Irgendwann machen wir bei einem einsamen Rasthaus für LKW-Fahrer eine Pause. Diese Rasthäuser fungieren gleichzeitig als eine Art Laden oder Ersatzteillager, denn Alternativen gibt es weit und breit nicht. Auch hier sind die Toiletten wieder eine Katastrophe. Papier erwarten wir ja schon lange nicht mehr, aber wenigstens Wasser und einen halbwegs sauberen Boden. Dass die meisten klapprigen Türen nicht abschliessbar sind, irritiert uns längst nicht mehr. Langsam aber sicher sehne ich mich nach Sauberkeit und der vertrauten Hygiene und nach Funktionalität. Mir wird wieder mal ganz bewusst, dass wir hier in der besten aller Welten leben.
 
Wir durchfahren 500.000 qkm grosse Plantagen aus Karibik-Pinien und Teakholz. Die entsprechenden holzverarbeitenden Betriebe sind in regelmässigen Abständen zu finden. Später sehen wir die ersten Ölförderpumpen. Es ist eine trostlose, hässliche Gegend, die wir aber bald hinter uns lassen und endlich wieder Kühe und auch Wasserbüffel und grüne Weite sehen.