Die Nacht war nicht so schlimm wie befürchtet. Um halb vier wecken mich die ersten Brüllaffen mit ihrem Konzert, dann folgen die vielen Vogelstimmen. Manche davon habe ich noch nie gehört. Der Regenwald erwacht. Um 6.00 Uhr strahlt der Wald in allen Grüntönen, und zahllose Papageien und Schirmvögel fliegen umher. Die Hälfte meines Frühstücks spendiere ich den netten Hunden hier, die sich gierig auf Schinken und Spiegelei stürzen.
 
Mit dem Schnellboot fahren wir zurück bis zur Einmündung unseres Seitenarmes in den Manamito und besuchen dort eine kleine Siedlung der Warroa-Indianer. Gertrud und ich bleiben aber im Boot und schmoren in der schwülen Hitze vor uns hin. Wir kommen uns wie Eindringlinge vor und wollen daher keine Indianersiedlungen mehr besuchen. Weiter fahren wir nun auf dem Manamo nach Norden, und wieder mit Höchstgeschwindigkeit. Die Hütten der Indianer fliegen an uns vorbei, und nur ab und zu fahren wir langsam, wenn die Teppiche der Wasserhyazinthen gar zu dicht werden. Es ist eine faszinierende Fahrt. Nach 1 ½ Stunden kommen wir in San José de Buja an, einem kleinen Städtchen. Dort wartet Gustavo mit dem Bus auf uns. Hier verlassen wir den Regenwald und damit alle Faultiere, die ungesehen in ihren Bäumen hängen. Nun muss ich solange in die Regenwälder Süd- oder Mittelamerikas reisen, bis ich endlich ein Faultier in freier Wildbahn finde….!
 
Bald sind wir in Maturin, einer Stadt mit 300.000 Einwohnern, die einen moderneren und saubereren Eindruck macht als die Städte bisher. Es gibt auch eine grosse Universität. Bei einem grossen Einkaufscenter mit Supermarkt machen wir Mittagspause. In den Läden ist nichts los, kein Wunder bei den Preisen. Aber die Fressstände überall sind umlagert. Der Einfachheit halber esse ich einen Hamburger, es ist der erste seit ich-weiss-nicht-wieviel Jahren. Auch im Supermarkt sind keine Kunden.
 
Wir fahren weiter nach Norden, sehen Erdöl- und Erdgasfackeln und im Hintergrund schon die Küstenberge, die wir bald erreichen. Sie sind immerhin bis 2.400 Meter hoch und bis obenhin wunderschön grün bewachsen und haben eine interessante Struktur. Grosse Plantagen von Orangen, Mandarinen und Maracujas durchfahren wir. Auch sämtliche Gemüsesorten werden hier angebaut.
 
Wir schnaufen auf 900 Meter Höhe hinauf durch diese saftiggrüne Gegend und befinden uns nun schon im Nebelwald. In einem kleinen Ort bestaunen wir einen riesigen Regenbaum (Saman) mit weit ausladender Krone. Der gesamte Baum ist überwuchert von Epiphyten, also Blatt- und Rispenkakteen, Orchideen, Bromelien, Tillandsien und Flechten. Er ist ein echtes Naturdenkmal, ein Prachtbaum, der mich begeistert. Den möchte ich im Mai zur Blütezeit erleben.

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