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Eine Hügelkette weiter stehen wir zwischen mit Schlamm gefüllten blubbernden Erdlöchern, den Solfataren. Es riecht penetrant nach Schwefel, und auch hier ist die Erde schwefelgelb. Die Erdoberfläche ist brüchig, Holzstege führen zwischen den einzelnen Schlammlöchern hindurch, andere Wege sind mit Seilen gesichert. Trotzdem entdecke ich am Rand eines Schlammlochs einen deutlichen Stiefelabdruck. Wie alt mag er sein? Von wem stammt er? Unbeantwortet bleibende Fragen. Es ist ein schauerlich schöner Ort, ein Ort, an dem Geschichten von Hölle und Geistern entstehen können.
20 Kilometer weiter verlassen wir die Ringstraße und machen uns auf den Weg zum größten Wasserfall Islands, dem Dettifoss. Ein Verkehrsschild weist uns darauf hin, dass diese Piste nur für Fahrzeuge mit Vierradantrieb zugelassen ist. „Na ja,“ denke ich mir, „zwei Beine plus zwei Räder macht auch vier.“ Oder? Stunden später bin ich am Jammern. Oh, mein armer Hintern. Die Straße hat sich in ein Waschbrett verwandelt, das Grün ist einer Steinwüste gewichen und der Wind fegt ungehindert über uns hinweg. Schon bald fängt mein Fahrrad an zu klappern und klagt mir auf diese Weise sein Leid. Immer wieder muss ich anhalten, um Schrauben an Satteltaschen und Rad nachzuziehen. Wir schieben mehr als dass wir fahren und kommen nur langsam voran. Die Mittagspause hinter einem großen Stein fällt nur sehr kurz aus. Wir müssen weiter.
Dann erreichen wir endlich den Dettifoss. Das Fluss Jökulsá á Fjöllum hat sich im Laufe der Zeit tief in das Gestein gefressen. Donnernd stürzt das Wasser 44 Meter in die Tiefe, der Grund ist in der Gischt nicht zu sehen. Auch hier ist nichts abgesperrt und mein Vater wagt sich beunruhigend dicht an den Fluss heran, um ein paar Fotos zu machen.
Der Dettifoss mag zwar der größte und wasserreichste Wasserfall sein, besonders schön finde ich ihn nicht. Das Wasser kommt aus dem großen Gletscher Vatnajökull im Süden der Insel und ist deswegen sandig und grau. Aber er ist schon sehr gewaltig, das stimmt. Wir gehen ein Stück flussaufwärts und kommen an einen kleineren Wasserfall, den Selfoss. Hier fällt das Wasser durch viele kleine Spalten. Im Gegensatz zum Dettifoss wirkt dieser Wasserfall geradezu lieblich.