Am Flughafen drücken wir Ulli zum Abschied und fliegen um 18.30 Uhr nach Sao Paulo. Die Uhr müssen wir hier wieder eine Stunde vorstellen. In Sao Paulo müssen wir drei Stunden herumlungern, um endlich um 23.55 Uhr mit unseren Flieger nach Foz do Iguacu zu starten, wo wir um 1.35 Uhr mitten in der Nacht reichlich müde ankommen. Am Flughafen werden wir von einer nicht gerade mit Freundlichkeit gesegneten Frau namens Ernestine abgeholt, die uns nicht einmal begrüsst und offenbar schlecht gelaunt ist. Klar, ich hätte auch keine Lust, um diese Zeit eine Gruppe Touristen abzuholen, aber ich wäre ja auch keine Reiseleiterin.
Wir werden im Viersternehotel San Martin in der Nähe des Flughafens und nahe bei den berühmten Wasserfällen von Iguacu abgesetzt. Dieses moderne Hotel ist das krasseste Gegenteil zu unserer gemütlichen und familiären Pousada Aguapé, das sich denken lässt. Hier ist alles unpersönlich, steif und auf Menschenmassen ausgerichtet. Um 2.30 Uhr liege ich endlich im Bett und kann lange nicht einschlafen, weil mir so vieles durch den Kopf geht und hier alles so „tot" ist. Kein Käfer kriecht herum, kein Vogel macht Rabbatz, ich fühle mich wie in einer Leichenhalle.
Am nächsten Morgen gibt es ein leckeres Frühstücksbüffet mit vielen fremden Menschen. Ernestine scheint heute Morgen auch etwas besser gelaunt zu sein, obwohl sie nicht zu wissen scheint, wie man lächelt. Immerhin lässt sie sich diverse Informationen aus der Nase ziehen. Wir fahren fünf Minuten zum Eingang des Nationalparks do Iguacu, lösen die Eintrittskarten und fahren dann etwa 10 km hinein in den Park bis zum Beginn des Fussweges, der an den Wasserfällen entlang führt und die wir schon von weitem brausen und tosen hören.
Und dann habe ich ein déja-vu-Erlebnis, denn hier stand ich vor fast 29 Jahren schon einmal und weiss noch gut, wie begeistert ich damals war. Und genau so ist es auch heute wieder.
Es sind 275 Wasserfälle, kleinere und grössere und ganz grosse, die hier über fast vier Kilometer Länge spektakulär und gigantisch über die Basaltstufen in die Tiefe stürzen. Es ist ein unbeschreiblicher Anblick und man könnte alle zwei Meter ein neues Foto machen. 80% der Fälle gehören zu Argentinien und sind von der brasilianischen Seite am schönsten zu sehen. Der Rio Iguacu bildet die Grenze zwischen Brasilien und Argentinien.
Heute ist das alles sehr professionell arrangiert und vermarktet, und die vielen Besucher aus aller Welt kommen in Heerscharen. Es ist wirklich grandios, was die Natur hier geschaffen hat, und diese Wasserfälle gelten neben Machu Picchu in Peru als die grösste Sehenswürdigkeit in ganz Südamerika.
Wir laufen den gesicherten Fussweg entlang, staunen immer mehr und sind total beeindruckt von der Macht und Energie des Wassers, auf dessen gigantischen Gischtwolken ein kompletter Regenbogen thront. Kurz vor der legendären Teufelsschlucht, wo die mächtigsten Fälle herabdonnern, führt ein Steg etwa 200 Meter weit bis über die Abbruchkante. Die Gischt ist hier so stark, dass es richtig regnet und man nicht mehr fotografieren kann, es sei denn, man riskiert die Kamera oder hat eine Unterwasserkamera dabei. Ich ziehe meinen Regenponcho an und laufe staunend bis zum Ende des Steges. Dieses Rundum-Wasserfall-Schauspiel ist dröhnend laut und phantastisch. Ergriffen und ungläubig staunend steht man da.
Später, direkt am grössten Wasserfall, befinden sich in einem 15 Meter hohen Turm Aufzüge, mit denen man auf die hochgelegene Plattform fahren kann. Von dort aus hat man einen herrlichen Ausblick einerseits auf den ruhig dahinfliessenden Rio Iguacu und gleichzeitig auf die herabstürzenden Wassermassen. Das ist wahrlich beeindruckend. Man kann sich nur schwer losreissen von diesem Naturschauspiel.
Aus der Wahl der verschiedenen optionalen Möglichkeiten, haben wir uns für eine Wanderung mit anschliessender Bootsfahrt auf dem Iguacu-Fluss entschieden. Schon auf der kurzen Wanderung durch den Urwald sind wir fasziniert von den vielen verschiedenen Schmetterlingen überall. Auch die herrlichen blauen Morphos flattern rastlos und unknipsbar in Augenhöhe.