Von einer kalten Dusche, dem venezianischen Karneval und abschließendem Kängurusteak
Erstaunlich problemlos finden wir an diesem Morgen den Weg zu den Wentworth Falls, unserem ersten Anlaufpunkt in den Blue Mountains. Benannt ist die Stadt nach einem der Pioniere der Überquerung der Hochebene, denn die Berge galten lange Zeit als unüberwindbar. Ihre auf 1200 Meter Höhe gelegenen Plateaus sind von bewaldeten Schluchten durchzogen und können hier und da mit Wasserfällen aufwarten. Einer dieser Wasserfälle trägt den Namen Wentworths, er stürzt rund 300 Meter in die Tiefe. Touristisch gut erschlossen bieten sich uns vom Sammelplatz aus gleich mehrere Wanderwege an. Ohne lange zu überlegen laufen wir los, denn wir möchten die Besucherscharen gerne schnell hinter uns lassen. Zum Glück entwischen wir dadurch auch den berühmten australischen Fliegen, mit denen wir hier erstmalig Bekanntschaft machen. Sie sind an Impertinenz nicht zu übertreffen und belagern uns förmlich.
Wir wandern zunächst steil bergab, der Wentworth Pass Track führt eng an der Felswand entlang. Von hier genießen wir einen Blick über scheinbar endlose Eukalyptuswälder. Ich bin eifrig bemüht, die namengebende blaue Tönung der Blue Mountains wahrzunehmen, die mein Dumont verspricht. Die ätherischen Öle der Eukalyptusbäume sollen diesen Dunst bewirken. Aber so ganz können Martin und ich dem nicht zustimmen: Schön ist es, aber blau? Die Wentworth Falls nehmen ihren Weg ins Tal über mehrere Felsvorsprünge und kleine Plateaus, wo sie natürliche Wannen bilden und wir ihren Weg kreuzen.
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Einer dieser Zwischenstopps birgt ein besonderes Vergnügen: Ein etwas tieferer Felsenpool sammelt genug Wasser für eine kleine Abkühlung zwischendurch. Also rein in die mitgebrachten Badesachen und los geht’s! Der Boden ist reichlich glitschig, aber Martin und ich tasten uns vorwärts bis zur Felswand, über die das Wasser wie eine natürliche Dusche aus sechs Metern Höhe herabprasselt. Es handelt sich allerdings um eine sehr kalte Dusche, denn das Wasser wärmt sich erst im Pool etwas auf. Aber wir werden in den nächsten Stunden noch genug schwitzen und sehen die Bergdusche als gesunde Prophylaxe.
Wir marschieren weiter, der National Pass Track soll uns über sechs Kilometer durch die Natur führen. Rechts von uns türmen sich ockerfarbene Felswände haushoch auf. Die Gesteinsschichten des Sandsteins verlaufen parallel; wie Schiefer ragen vielfach abgebröckelte, trockene Platten und Nasen aus der Wand hervor und laden zu kleinen Klettermanövern ein. Vorsicht ist natürlich geboten, denn links vom Weg geht es bergab. Der Abhang ist hier steil, aber trotzdem von hartgesottenem Buschwerk bewachsen. Nach etwa einem Kilometer bleiben wir irritiert stehen: Links von uns, ein paar Meter in der Tiefe sehen wir zwischen den kargen Bäumen zufällig ein abgebrochenes Schild, das vor unbefestigten Wegen mahnt und den Track, auf dem wir uns gerade befinden, als gesperrt markiert. Etwas mulmig wird uns jetzt schon. Seit wann liegt das Schild da, gilt die Sperrung noch? Außer uns ist hier niemand unterwegs. Nach kurzem Abwägen schleichen wir vorsichtig weiter über den schmaler werdenden Weg. Aufpassen muss man vor allem, wenn sich wieder ein Wasserrinnsal seinen Weg ins Tal bahnt und dabei die Sandsteinplatten in rutschige Fallen verwandelt. Später führt uns der Weg wieder weiter bergab. Eine grob gehauene Steintreppe windet sich durch eine abenteuerliche Indiana-Jones-Kulisse: Das Tageslicht wird von den hohen Eukalyptusbäumen gefiltert, bringt Sandstein und Farne zum Leuchten und lässt die dunklen Schatten umso geheimnisvoller wirken.