Benito führt uns bergan zum wunderschönen Umayo-See auf 4.100 Metern, in dem Anden-Gänse, viele Blässhühner und Enten schwimmen. Wir folgen langsam und keuchend. Da ich meinen Hut im Bus vergessen habe, wickle ich meinen langen Schal um den Kopf, damit ich mir ja nicht noch mehr die Haut verbrenne, denn die Sonne sticht wieder gewaltig vom Himmel. Benito erklärt uns die Mentalität und das Leben der Aymara-Indigenas, den Glauben und ihre Rituale, die Sitten und Bräuche und die sehr enge Verbundenheit mit der Pachamama, der Erdenmutter. Er selbst lebt sehr traditionell.
Sillustani ist eine archäologische Stätte, denn hier befinden sich die sogenannten Chullpas. Es sind die bis 12 Meter hohen Grabtürme der Colla und Inka, die hier ihre Toten prachtvoll mit vielen kostbaren Grabbeigaben bestatteten. Peruanische Archäologen fanden 1971 einen noch nicht geplünderten Chullpa, in dem sie 4 kg Gold und viele Schmuckstücke entdeckten. Alle anderen Türme wurden von Grabräubern geplündert.
Auf einer Wiese zwischen den Grabtürmen führt ein alter Mann ein 3 Wochen altes Vikuna-Baby an einem Strick. Ich streichle das superweiche Fell des kleinen Tierchens, das viel lieber bei seiner Mutter wäre, als von fremden Menschen angefasst zu werden. Ich darf dem Kleinen die Flasche geben, und es trinkt gierig. So ein zartes Wesen! Vikunas sind selten und kostbar und haben eigene Schutzgebiete. So auch hier auf einer kleinen Insel im Umayo-See. Dort lebt eine einzige Familie, die eine geschützte Vikuna-Herde betreut.
Zum Abendessen erschien Gitte mit ihrem schönen neuen beigefarbenen Alpaka-Pullover, und ich trug meine blaue Jacke. Hier gab es wieder was Feines aus der peruanischen Küche, die uns bestens in Erinnerung bleiben wird. Gitte nahm Alpaka-Geschnetzeltes, ich entschied mich für Lachsforelle aus den reissenden Gebirgsflüssen hier. Beides war delikat.
Früh gingen wir ins Bett, denn am nächsten Morgen war um 5.00 Uhr Aufstehen angesagt. Wir hatten die 400 km lange, aber grandiose Fahrt durch das zentrale Hochland zum Titicaca-See vor uns.
Am nächsten Morgen – es ist Samstag, der 09.03. und wir sind vor einer Woche gestartet – brennt mein Gesicht wie Feuer. Um 5.45 Uhr sitzen wir beim Frühstück. Zum ersten Mal seit zwei Tagen ist Maria wieder dabei. Ihr geht es immer noch nicht gut, und sie ist leichenblass und sieht elend aus. Daniela hat heute Magen-Darm-Probleme, alle anderen haben verbrannte Gesichter.
Es ist sehr kühl am Morgen, und unsere neuen Alpakasachen sind hochwillkommen. Um 6.30 Uhr fahren wir auf guter Strasse los und schrauben uns in die Berge hinauf in eine einsame, karge Bergwelt, wo nur noch das harte Ichugras wächst. Das ist die Heimat der Andenkamele, also der Lamas, Alpakas, Guanakos und Vikunas. Immer höher kommen wir. Reif liegt über der Landschaft, und die kleinen Seen und Lachen tragen eine Eisschicht. Und wieder sehen wir den schneebedeckten Vulkan El Mismi, wo der Amazonas als kleines Rinnsal entspringt und man nicht ahnen kann, dass er zum mächtigsten Fluss der Erde anschwellen wird. Auf der Plateauhöhe von 4.800 Metern angekommen, finden wir uns in einer Mondlandschaft aus Steinen ohne jeden Bewuchs. Aber ein kleiner Andenhase findet auch hier noch sein Auskommen. Er sitzt auf einem Felsen und wärmt sich an den ersten Strahlen der Sonne.