Wir kommen auf der Plaza de Armas an, wie alle grossen Plätze in den Stadt- oder Ortszentren heissen. Hier stehen eine kleine verwitterte Kirche und das Rathaus. Alte Männer stricken aus hauchdünner Wolle mit dünnen Nadeln die inseltypischen Mützen in rot und weiss mit komplizierten Mustern. Es dauert etwa einen Monat, bis so eine Mütze fertig ist. Mützen, die in der oberen Hälfte weiss sind, zeigen an, dass der Träger noch zu haben ist. Verheiratete Männer haben nur rote Mützen an.

Überall blüht hier die Cantuta, die Inkablume in einem kräftigen Pink. Dazwischen die schönen lila Blüten der vielen Kartoffeln und blaue Lupinen. Ganz oben am Berg angekommen, erreichen wir über einen Schleichweg ein kleines Freiluft-Restaurant mit atemberaubendem Blick über den Titicaca-See, der uns majestätisch zu Füssen liegt. Wir lassen uns eine leckere Gemüsesuppe und gebratene Forelle schmecken. Dann geht es 540 holprige Felsstufen bergab zum kleinen Hafen, wo unser Boot wartet. Nach der Lauferei und dem Essen sind wir alle faul und dösen auf der Heimfahrt mehr oder weniger vor uns hin. Ich sitze im Freien und lasse mir den Wind um die Nase wehen, passe aber auf, dass mich die knallige Sonne nicht wieder verbrennt. Gitte hat es sich im Bootsinneren zu einem Mittagsschläfchen gemütlich gemacht.

 

Nun also wollten wir die Uros besuchen und fuhren eine ganze Weile durch das schöne grüne Tortora-Schilf. Überall tummelten sich Enten, Riesenblässhühner, Ibisse und Möwen. Dann sehen wir die strohfarbenen Hütten und Boote der Uros, ein ganzes schwimmendes Dorf. Unser Boot steuert eine bestimmte Insel an, auf der eine Grossfamilie mit ihren 23 Kindern lebt, die alle Rotznasen haben und barfuss laufen. Ein gerupftes Blässhuhn liegt in der Mitte, und uns werden Schilfstengel zum Essen angeboten. Wir kauen ein bisschen drauf herum, es schmeckt nach nichts, ist aber saftig.

Die Kinder singen uns ein Liedchen und klatschen in die Hände, und wir kaufen ein paar schöne Sachen bei den Frauen. Die Männer bauen gerade an einem neuen grossen Schilfboot. Mich befremdet das Ganze etwas, ich empfinde diese Form zu leben als sehr primitiv und angesichts der Kälte und ewigen Nässe auch abschreckend. Die Menschen machen aber keineswegs einen unglücklichen Eindruck, sie kennen es nicht anders bzw. wollen es auch nicht anders.

Mit einem Schilfkatamaran werden wir zu einer Nachbarinsel gerudert. Diese ist an sich nicht für Touristen geöffnet, aber wir dürfen trotzdem aussteigen. Hier lebt eine kleine Familie. Der junge Vater fuhr gerade mit seinem Sohn zum Fischen ab, als wir ankamen. Eine uralte, zahnlose Frau sass an eine Hütte gelehnt und kaute Kokablätter. Es schwankte und muffelte überall modrig. Die 22jährige Mutter hatte bereits 4 Kinder. Auf mich wirkte das alles ziemlich elend und primitiv, und ich war entsetzt, wie man so leben kann.

Hinter dem Strohhaus suchten zwei kleine schwarze Schweine nach etwas Fressbarem, ein Stück weiter standen ein Nachtreiher und mehrere schwarze Sichler im Schilf. Sie müssen aufpassen, dass sie nicht verspeist werden.