Ich bin froh, als wir wieder in unser Boot steigen und weiterfahren. Die Sonne kommt raus und wärmt uns langsam auf. Nach einer halben Stunde Fahrt haben wir den Schilfgürtel hinter uns gelassen und fahren auf den offenen See hinaus. Der Titicaca-See ist rund 10 Mal so gross wie der Bodensee und gehört etwa zur Hälfte Bolivien. Die Grenze geht mitten durch den See, aber es ist nur eine politische Grenze. Das Volk der Aymara wohnt hüben wie drüben.
Benito erzählt uns wieder über Land und Leute und dass die Aymara-Familien im Schnitt 7 – 8 Kinder haben, von denen meist 2 – 3 sterben, was als normal angesehen wird.
Der See hat bei Sturm oft über 2 Meter hohe Wellen und schweren Seegang, bei denen kein Boot mehr fahren kann. Es hat schon Reisegruppen gegeben, die auf dem Boot übernachten mussten. Das wird uns hoffentlich nicht passieren.
Der See ist fast menschenleer. Nur ab und zu sieht man ein kleines Motorboot. Es gibt 38 Inseln im See, davon etliche ganz kleine, die unbewohnt sind, aber auch etliche, auf denen Menschen siedeln und gut leben können. Wir wollen heute die Insel Taquile besuchen. Die Sonnen- und die Mondinsel hören sich auch verlockend an, aber beide liegen in Bolivien und sind zu weit weg.
Nach etwa 3 Stunden Fahrt legen wir an der Insel Taquile an, auf der 2000 Menschen, aber kein einziger Hund und keine Katze leben. Hier stricken die Männer, und die Menschen werden ungewöhnlich alt, weil sie allesamt kein Fleisch essen, wohl aber viel frischen Fisch. Die Menschen haben eine sehr dunkle Hautfarbe.
Über Puno ziehen sich dicke Wolken zusammen, und es donnert ordentlich. Ich verziehe mich wieder in mein Zimmer, denn ein Gewitter mit Hagel ergiesst sich krachend über den See. So ist das anscheinend fast jeden Nachmittag. Nun bin ich also wirklich und wahrhaftig am Titicaca-See, den ich vom Hörensagen schon aus Kindertagen kenne und bisher nur mit dem Finger auf der Weltkarte dort war. Unglaublich, dass man einfach hinfahren kann.
Um 19.00 Uhr treffen wir uns am offenen Kamin in der Lobby und schauen auf das wunderschön beleuchtete Puno bei Nacht am anderen Seeufer. Im feinen Restaurant eine Etage tiefer bestellen wir lauter Delikatessen. Ich weiss aus dem Reiseführer, dass Mitte des letzten Jahrhunderts Felchen und Lachsforellen aus USA und Kanada hier im Titicaca-See ausgesetzt wurden. Diese Raubfische haben die heimischen Fische stark dezimiert und sind inzwischen die Hauptspeisefische. Die Felchen heissen hier Pejerrey. Und so kommt es, dass ich Felchen aus dem Titicaca-See essen kann, und zwar in einer Honig-Sesamkruste mit Knoblauch, frittiertem Gemüse und Lauchstroh obenauf. Sehr ungewöhnlich, sehr lecker. Anschliessend sitzen wir noch am munter prasselnden Feuer und erzählen Reisegeschichten.