An erkennbaren Gebäudekomplexen sind zu nennen: der Sonnentempel, die Wohnungen der Sonnentempeljungfrauen sowie einige Wachttürme, um den Inkaweg zu sichern. Auch hier wieder ist der Weg so angelegt, daß er nach Art einer Absatzes aus der senkrechten Felswand herausgehauen ist, und überall dort, wo sich Steigungen ergaben, wurden Treppen angelegt, so daß man bequem vorankam. Das gesamte Bergmassiv, welches man umwandern kann, ist wild von Pflanzen überwuchert. Von oben herab bietet sich eine wunderbare Aussicht ins Urubamba-Tal. Unvermutet, nach einer Wegbiegung, fällt der Blick hinab auf den Sonnentempel, wo wiederum fugenrein und ohne Bindemittel, in der Absicht, ein Monumentalbauwerk zu schaffen, rosafarbene Granitblöcke aufeinandergetürmt wurden. Die gegenüberliegenden Felswände sind von unzähligen Höhlen durchlöchert, die als Grabkammern dienten; in ihnen wurden mumifizierte Leichname entdeckt, die allerdings meist Grabräubern zum Opfer gefallen sind. Auch die Spanier scheuten sich nicht, Nekroplen um der Grabbeigaben willen zu plündern. Die Festungen Pisac am Oberlauf und Machu Picchu am Unterlauf des Urubamba, der das Heilige Tal der Inkas durchströmt, waren wohl zugleich als Grenzbefestigungen gedacht, um eindringende Feinde in die Zange nehmen zu können, denn aus diesem Tal ist eine Flucht schwerlich möglich.
Überraschend war für uns die Entdeckung eines Feldes, welches mit Qui-ichu, einer Hirseart, bestellt war. Die Dolden haben, solange sie noch unreif sind, eine Farbe wie Zinnober, und wiegen mächtig sich im Wind. Aus Qui-ichu wird Popcorn gewonnen, welches man überall auf den Märkten angeboten bekommt.
Als letztem Ausgrabungsort auf unserer archäologischen Reise fahren wir dann noch ein Stück des Wegs den Urubamba flußabwärts nach Ollantaytambo, einer weiteren Inkafestung, die den zentralen Teil des Heiligen Tales beherrscht. Auf halber Höhe befindet sich ein unvollendeter Tempel, wo wie gehabt, auch auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole, riesige Porphyritquader ohne Zwischenraum aneinandergefügt wurden. Warum der Tempel nicht vollendet wurde, vermag niemand zu sagen, aber vielleicht war es eine Folge des spanischen Einfalls ins Inkareich. Alles übrige gleicht wieder dem der bereits beschriebenen Festungen. Auch hier sind in schwindelnder Höhe auf dem Berg gegenüber Grabkammern in den Berg gemeißelt, und die Mausoleen bedeutenderer Menschen unterscheiden sich von den Gräbern gewöhnlich Sterblicher durch ihre Monumentalität. Vielleicht sollte nicht unerwähnt bleiben, daß Ollantaytambo des Lichtes wegen unbedingt am Morgen besichtigt werden sollte, da am Nachmittag das Gegenlicht so gut wie keine Aufnahmen ermöglicht.
Nachdem wir dieses alles besichtigt haben, wählen wir hinauf ins Hochtal, in dem Cuzco liegt, beim Ort Urubamba, den bereits beschrittenen Chichao-Weg. Oben angelangt, bietet sich uns ein schöner Blick auf den Ort, das Tal und die dahinter aufragende schneebedeckte Cordillera Oriental, hinter der bereits das Amazonas-Tiefland beginnt. Die Fahrt zurück nach Cuzco erleben wir im weichsten Abendlicht, wo in fast 4000 m Höhe noch alles grünt und gedeiht und die Felder wie zu einem Farbenteppich aneinandergefügt sind. Wo immer wir halten, sind sofort die einheimischen Kinder bei uns, uns zu umringen und zu betteln. Die weitere Heimfahrt verläuft fast parallel zur Bahnlinie, so, wie wir am gestrigen Tage gefahren sind, und daher gibt es weiter nichts zu erzählen.
Am Abend suchen wir noch den Antiquitätenhändler auf, den ich am Vortag ausgemacht habe, und lassen uns verschiedene Exponate zeigen. Ein Indio zieht mich ins Hinterzimmer und holt unter einem Regal einen Karton hervor, in dem feinsäuberlich verschiedene Keramiken verpackt sind. Er packt einige der Vasen aus, woraufhin mir fast das Herz stehenbleibt, denn keine einzige enthält an ihrer Unterseite den Stempel, der besagen würde, daß es sich um eine Imitation handelt. Ich bin von der Echtheit der Stücke überzeugt, und obwohl ich weiß, daß es in Peru verboten ist, Antiquitäten außer Landes zu führen, kann ich der Versuchung nicht widerstehen und erstehe eines der Exponate, freilich nicht das, das ich gerne gehabt hätte, denn unser Geldbeutel ist für die wertvolleren Objekte zu schmal und das Risiko, daß es uns vom Zoll abgenommen wird, zu hoch. Eine schöne Vase der Tiahuanaco-Kultur werde ich alsbald mein eigen nennen können. Dabei komme ich mir beinahe vor wie ein Grabräuber, aber ich sehe natürlich ein, daß man das Land nicht seiner Kunstschätze berauben darf. Doch ein magischer Zauber hat mich in diesem Moment in seinen Bann gezogen, eine Versuchung, der zu widerstehen meine schwachen Kräfte nicht ausreichen.
Goldschatz des Inka
Da tagsüber die Thermik über den Abhängen der Anden zu stark ist, können größere Maschinen nur morgens und abends starten und landen. Als wir am Donnerstagmorgen in Cuzco auf das Flugfeld rollen, sind die Anden noch in Wolken gehüllt. Die Maschine benötigt eine wesentlich längere Startstrecke, bis sie die Abhebegeschwindigkeit erreicht, und das liegt an der großen Höhe, auf der Cuzco liegt. Als wir nach langem Anlauf endlich abheben, sind die Berge über uns fast zum Greifen nahe, und nur mit Mühe gewinnt die Maschine an Höhe. Schon bald erreichen wir die ersten Schneeberge, die in der Nähe von Cuzco aus zu sehen sind. Dann werden die Wolken dichter und hüllen die gesamte Andenkette in ein undurchsichtiges Weiß. Dies bleibt so, bis wir Lima erreichen, denn auch diese Stadt, in der Wüste gelegen und durch den kalten Humboldtstrom den größten Teil des Jahres eingenebelt, ist heute wolkenverhangen. Noch im Landeanflug scheinen die Triebwerke unserer Maschine zu vereisen, und der Pilot dreht, aus welchem Grund auch immer, mehrere Warteschleifen. Als wir nach glücklicher Landung ins Freie treten, riechen wir von der See her den unerträglichen Fischgestank, den kein sich regendes Lüftchen zu vertreiben vermag. Unser Hotel liegt im Stadtteil Barranco, der neben Miraflores zu den sichersten in Lima zählt. Gleich zu Beginn unseres Aufenthalts werden wir darauf hingewiesen, keine Wertsachen mit uns zu führen und nachts das Stadtzentrum zu meiden.
Was in Lima wohl einmalig sein dürfte, ist das sogenannte Goldmuseum. Man könnte richtiggehend erschrecken, wenn man die abgetrennten Museumsräume betritt, denn was hier lagert, sind wahre Schätze an Gold, Berge von Gold, das Gold des Inka, hinter dem die Spanier her waren und das ihnen entgangen ist, weil es sich entweder um Grabbeigaben handelte, die in Grüften ruhten, die nicht geöffnet worden waren, oder weil sie mit diesen Völkern erst gar nicht in Berührung kamen. In der Tat wurde nahezu das gesamte Gold des Inkareiches eingeschmolzen und nach Spanien verschifft, unersetzliche Kunstschätze gingen verloren; das Gold, mit dem Atahualpa sich loskaufen wollte, wurde von den Wänden der Tempel gerissen, bis zwei riesige Räume damit angefüllt waren. Welche Pracht an Kunstgegenständen man hier sieht! zumeist der religiösen Verehrung dienend, aber auch als Kriegsschmuck der Männer gedacht, denn bei den Inkas war das Tragen von Ohrringen und Halsketten Männersache. Jene Männer durchstachen sich die Ohrmuscheln und steckten Ringe hinein, die einen Durchmesser hatten, daß die Ohrläppchen bis fast an die Schulter herabhingen. Auch das, was wir heute Piercing nennen, war den Inkas durchaus geläufig. Nasentrennwand und Lippen wurden durchstochen, um goldenen Gesichtsschmuck daran aufzuhängen. Das Haupt des Herrschers zierte eine Art Krone, ebenfalls aus purem Gold, und Priester oder Häuptlinge trugen Handschuhe aus Gold, die bis zu den Ellbogen reichten, mit goldenen Fingernägeln. Golddurchwirkte Gewänder und goldbestückte Decken aus Tausenden von Goldplättchen mögen einst die Begehrlichkeit der Spanier aufs äußerste gereizt haben. Es gibt nichts, was in diesem Museum nicht aus Gold und Edelsteinen ist: