Wie phantastisch das an graue Vorzeit erinnernde, den Kratersee umgebende steinerne Gewand sich im klaren Morgenrot eines der Schöpfung abgerungenen Tages ausnehmen muß, vermögen nur die zu erahnen, die, ehrfurchtsvoll erschaudernd, auch die alles verzehrenden Blitze sich vorstellen können, welche zuckend in schwärzlicher Nacht ein lodernd Feuer in einen der Türme warfen und seine Steine zum Bersten brachten.

Die vier Weltgegenden

    Die ersten Inkavölker kamen relativ spät, nämlich erst im 13. Jahrhundert, aus dem Tieflandbereich ins Hochland herauf, wo sie aufgrund ihrer besseren geistigen Voraussetzungen die dort lebenden Aymara-Völker unterwarfen. Nur der Herrscher wurde Inka genannt, und nur mit der leiblichen Schwester durfte der Nachfolger gezeugt werden, was vermutlich von der Vorstellung geprägt war, daß sich die geistigen und körperlichen Herrschermerkmale dadurch am besten erhalten ließen. Das Volk hieß Quechua, es hat das System der Terrassenbebauung eingeführt. Wenn ein Inka starb, wurde auch seine Frau eingemauert. Das Reich der Inkas war eine Kastengesellschaft, der Sohn mußte den Beruf des Vaters ausüben. Schon an der Kleidung erkannte man die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kaste. Privatbesitz gab es nicht im inkaischen Imperium, es gab lediglich die Verfehlung: du sollst nicht stehlen. Gold und andere Edelmetalle durften vom einfachen Volk nicht besessen werden. Mais, Türkis und Salz zählten als Währungen, ansonsten herrschte Naturalienhandel. Das Reich wurde zentralistisch von Cuzco aus verwaltet, was letztlich auch die Eroberung leicht möglich machte. Die Ankunft der Spanier fand zudem zu einem für sie günstigen Zeitpunkt statt. 
    Auch wenn die Kultur der Inkas als nicht besonders alt anzusehen sein mag, gibt es doch noch wesentlich ältere Kulturen im Bereich des heutigen Peru, z.B. die Paracas-Kultur. Die ältesten Mumien der Welt wurden in Südamerika gefunden, und nicht in Ägypten. Paracas wurde von der Nazca-Kultur abgelöst. Über die Entstehung der Scharbilder von Nazca gibt es übrigens sechsunddreißig verschiedene Theorien, die alle nicht zu widerlegen sind. Huari in der Nähe von Ayacucho ist eine Zweigstelle der Tiahuanaco-Kultur. Die Mochica-Kultur am Río Moche schuf die hervorragendsten Keramiken, die die Menschen der damaligen Zeit sehr realistisch darstellten, auch Menschen negriden Typs und Buddhas, die es eigentlich in Südamerika nicht geben dürfte, sind darunter. Die Chimú-Völker waren Meister der Metallverarbeitung, des Verlötens von Metallen. Von der Virú-Kultur leitet sich wahrscheinlich der Name Peru ab. 
    Eine weitere interessante Frage ist, ob die kulturelle Entwicklung Amerikas autonom, also unabhängig von jener in Europa, verlaufen sei. Hierzu vertritt unser Reiseleiter die Auffassung, mit der er übrigens nicht alleine dasteht, daß es lange vor Christoph Kolumbus transatlantische und transpazifische Fahrten gegeben habe, da gewisse kulturelle Entwicklungen in allen größeren Kulturräumen zeitgleich stattgefunden hätten. Er führt zur Untermauerung dieser These als Beispiele den Kalender, die Gestirnsbeobachtung, die Keramik, den Übergang zur Seßhaftigkeit sowie die Steinbauweise und die Entstehung bestimmter Kasten an. Auch sprachliche Parallelen gibt es. Es finden sich zudem eine Menge von Inschriften in Amerika, die auf frühe transatlantische und transpazifische Fahrten hindeuten, z.B. die Bat Creek Stone Inscription in Tennessee. Die sogenannte Paraíba-Inschrift wurde als Fälschung abgetan. Cyrus H. Gordon fand aber im Text ein Kryptogramm, womit die Authentizität bewiesen ist. Demnach war der Verfasser der Inschrift Jude. Auch im Gilgamesch-Epos, dem Vorgänger-Buch der Bibel, sowie in den Psalmen fänden sich angeblich Hinweise. An ägyptischen Pharaonenmumien wurde Kokain im Haar gefunden. Das Zeichen für den US-Dollar ist ein uraltes phönizisches Handelszeichen. Baal, der phönizische Gott und der Mam der Mayas wurden beide als alte Männer dargestellt. Die Trachten der Karen in Thailand stimmen mit den Maya-Trachten identisch überein. Es gibt ferner im Süden der iberischen Halbinsel zwei Altäre aus Brasilholz, die viel früher datiert sind als die Fahrt des Kolumbus, was letztlich einen Beweis dafür liefert, daß Amerika bereits vor 1492 entdeckt worden sein muß. Als Kolumbus nach Amerika segelte, fuhr er gewiß nicht ins Blaue, sondern er hatte Kartenmaterial des Nürnbergers Martin Behaim bei sich. Seine Reise dauerte bis auf den Tag genau die vorausberechnete Zeit, wenngleich man erst 1513 Gewißheit erlangte, daß Amerika nicht Indien war, sondern daß es noch einen zweiten großen Ozean gab, das Mare do Sul, welches als erster Bilboa entdeckt hat. 
    Heute ist Peru präsidiale Republik. 52% der Bevölkerung leben in der Küstenregion, fast 7% der Peruaner in größeren Städten. Die Aymara-Bevölkerung ist in der Gegend um den Titicacasee angesiedelt, nur 60% sprechen und verstehen Spanisch. Auch in Peru gibt es keine Meldegesetze, und es herrscht eine gewaltige Landflucht. Durch die Agrarreform von 1969 wurden die Großgrundbesitzer enteignet und deren Land an die abhängigen Farmarbeiter verteilt. Der Staat hat es allerdings verabsäumt, auch entsprechende Kredite auszubezahlen, womit letztere nicht einmal das Geld hatten, um das entsprechende Saatgut zu kaufen, und es zu einem gewaltigen Einbruch in der Landwirtschaft kam. – Die Flagge Perus ist rot-weiß-rot, wie übrigens auch die Flagge von Asunción der österreichischen aufs Haar gleicht. "Wissen Sie, warum die österreichische Fahne rot-weiß-rot ist?" unterbricht unser Reiseleiter seine Ausführungen. "Das geht auf die Kreuzfahrerzeit zurück," fährt er fort, "als in der Schlacht um Akkon der weiße Waffenrock eines Kreuzritters über und über rot gefärbt war vom Blut der Feinde. Lediglich an der Stelle, wo er seinen Gürtel trug, blieb jener weiß." Sein Gewand sei als Banner hergenommen worden, meint er, und das beruhe auf einer wahren Begebenheit. 
    Die drei geographischen Hauptzonen Perus sind das wüstenhafte Küstengebiet, das Gebirgsland der Anden und der Bereich der Selva an den Abhängen zum Amazonasgebiet. Zwischen West- und Ostkordillere befindet sich das Altiplano, auf dem der Titicacasee liegt und durch das auch unsere heutige Tagesetappe nach Cuzco verläuft. Obwohl das Meer noch 300 km entfernt ist, trifft man bereits hier auf Seemöwen. Juliaca, durch das wir bald am Morgen kommen, ist ein furchtbares Räubernest, wo selbst aus fahrenden Autos Gepäck gestohlen wird, so daß wir durch diesen Ort zügig hindurchfahren, quer über einen Markt, der auch vor den Eisenbahnschienen nicht haltmacht. Für die 360 km lange Bahntrasse von Puno nach Cuzco benötigt der Zug 11 Stunden.