Auch würden die meisten Internet-Cafés des Landes, die wie Pilze aus dem Boden schießen, mit Raubkopien arbeiten, erklärt sie weiter. Die Anwälte von Bill Gates seien drauf und dran, diese Kopien ausfindig zu machen, so daß den Internet-Cafés die Schließung drohe, was dem Land zusätzliche Arbeitsplätze entreißen werde.
Nachts erst regt sich Leben in der Stadt, und die Straßen füllen sich mit Menschen. Musik dröhnt aus allen Lautsprechern. Dieses Treiben setzt sich die halbe Nacht hindurch fort.
Das Reich des Kondors
Von La Paz aus bietet es sich geradezu an, einen Ausflug in die nahegelegenen Berge zu unternehmen. Wir suchen uns dazu den 5350 m hohen Chilaje aus, der über den höchstgelegenen Skilift der Welt verfügt. In windungsreichen Kehren geht es zunächst aus dem Kessel von La Paz heraus, in schwindelerregende Höhen hinauf, wo sich, zunächst noch wolkenlos, der Illimani über das Plateau erhebt und den Blick freigibt. Auch der Huayna Potosí rückt näher, zum Greifen nah. Wie herrlich müßte es jetzt sein, Seil und Eispickel dabei zu haben und sich über den Gletscher hinaufzumühen.
Die Andenkette ist der längste Gebirgszug und eines der jüngsten Gebirge der Erde und anders als die Alpen auch von anderer Beschaffenheit. Während nämlich in den Alpen mehrheitlich Einzelgipfel charakteristisch sind, sind in den Anden unnivellierte Kettenzüge ohne markante und ausgeprägte Erhebungen die Regel. Die Anden weisen also keine majestätischen Berggestalten auf, ausgenommen freistehende Vulkankegel. Das Wort Anden bedeutet wörtlich Stufen- oder Treppengebirge und geht zurück auf den Feldterrassenbau der Inkas bzw. die Inka-Reichsstraßen. Steile Abschnitte wurden nämlich durch Stufen überwunden, da das Rad unbekannt war.
Die Anden sind vor ca. 65-70 Millionen Jahren entstanden, als Folge eines geologischen Auffahrunfalles. Beim Aufeinanderprallen der südamerikanischen Kontinentalscholle auf die pazifische Scholle entstand im Bereich der heutigen Anden ein gewaltiger Vulkanismus. Wie Geologen versichern, hat sich die südamerikanische Scholle bereits um 800 km auf die Nazca- oder pazifische Scholle aufgeschoben, was immer wieder zu verheerenden Erdbeben führt. Der Prozeß der Andenhebung ist noch nicht abgeschlossen, wird aber durch die Erosion wieder ausgeglichen. Der Altiplano war nämlich ursprünglich ein tief profiliertes Tal, das sich mit ebendiesem Erosionsmaterial aufgefüllt hat. Zwischen Bolivien und Peru teilt sich der Andenkern in die Schwarze und Weiße Kordillere. Zwischen diesen beiden Kordilleren liegt der Altiplano. Die pazifische Seite ist niederschlagsarm, an der Ostseite schwappt die vom Amazonastiefland heraufkommende Feuchtigkeit in die innerandinen Täler über und kann dort zu hohen Niederschlägen führen. Der in der Patagonischen Kordillere gelegene Aconcagua erreicht 6959 m Höhe und ist damit der höchste Berg beider Amerika. Ihm folgt mit 6893 Metern der Ojos del Salado, als zweithöchster Berg des Landes. Das Paine-Massiv hingegen hat nichts mit den Anden zu tun. Auch der Mount Fitz Roy (3405 m) und der Cerro Torre (3192 m), der Cerro San Valentin (4059 m) und der Cerro San Lorenzo (3700 m) gehören nicht zu den Anden, sondern sind Teil des Patagonischen Andenvorlandes.
Hinter der nächsten Biegung wartet erneut eine Überraschung auf. Im klaren Licht erscheinen viele der mit Wasser gefüllten Kare in geheimnisvollen Farben, die Beigaben von Mineralien tun ein ihriges, um diese Wunderwelt in den schrillsten Tönen erscheinen zu lassen. Tiefer als violett und stechender als grün leuchten die kleinen Seen, während langsam aufziehende Wolken dem Farbenspiel unwiderruflich ein Ende setzen. In den schattigen Kammlagen erreichen wir eine von einem Schweizer bewirtschaftete Almhütte, wo sogleich ein deftiges Essen auf denjenigen wartet, die sich im Anschluß daran nicht als Gipfelstürmer betätigen will. Fuß um Fuß voransetzend, gelangen wir, die wir es nicht lassen können, über Schutt und Schnee, ich insbesondere mit ungenügendem Schuhwerk ausgerüstet, auf den Vorgipfel, den ich nur als zweiter erreiche. Allein der Weg zum Hauptgipfel, der sich über einen schlanken Grat hinaufschwingt, bleibt mir versagt, denn meine Schuhe würden sich während des Hinaufgehens aufweichen, und zwanzig Meter mehr oder weniger können das Gefühl, den Berg bestiegen zu haben, nicht nehmen. Von dort droben bietet sich ein majestätischer Blick auf die Königskordillere mit ihren schneebedeckten Sechstausendern, auf die Stadt La Paz bzw. was davon zu sehen ist – denn die Stadt liegt, wie wir oben gesagt haben, in einem Kessel, wo sie sich unseren Blicken entzieht – und auf der anderen Seite auf den Titicacasee, den höchstgelegenen See Südamerikas. Nicht mehr als eine Andeutung, zieht er sich wie ein blaues Band am Ende einer grenzenlos öden Fläche hin. Am Horizont haben sich die Wolken zu einer Decke vereinigt, und wir tun gut daran, den Ort zügig zu verlassen und uns dem Sonnenschein der Stadt zu überantworten, wo buntes Treiben herrscht und gemächliche Geschäftigkeit.
Abends geben wir uns ganz den Vergnügungen einer Folkloreveranstaltung hin. Zunächst spielt ein virtuoser Solist klassische Musik auf der Charanga, dem traditionellen Saiteninstrument, dessen Klangkörper, wie oben gesagt worden ist, aus dem Panzer des Gürteltiers hergestellt ist. Dann führen verschiedene Musik- und Tanzgruppen traditionelle Stücke und Tänze auf, die sich bis ins Ekstatische steigern. Besonders die Stücke auf den sogenannten Windinstrumenten, der Panflöte oder Sambara, klingen an dämonische Kriegstänze an. Auch farbenfrohe Kostümtänze aus dem Karneval und die Queca sowie der Teufelstanz sind Zeugnisse der hohen Kunst der bolivianischen Trachtengruppen. Unter dem Wappen von Kastilien und Léon, im Schein von Kerzenlicht und zu dem ausgezeichneten Bouquet des Kohlberg-Rotweins geraten solche Abende zu einem turbulenten Spektakel. Lediglich die moderne Lautsprecher- und Verstärkertechnik tut auch hier einigen Abbruch, und das Getrommele nimmt schnell Disco-Charakter an.
Wir verlassen La Paz über El Alto, mit freier Sicht auf die schneebedeckten Sechstausender der Königskordillere. Auf einer Anhöhe mit weitem Blick über das Hochland halten wir an und lassen das Auge hinüberschweifen auf die sich hinter Wolken verbergenden Gipfel auf der einen und den Titicacasee auf der andern Seite. Einst waren die Ufer des Titicacasees stark bewaldet, aber die Wälder wurden von den Spaniern gerodet, weil man Material für den Schiffsbau brauchte. Der Titicacasee hat eine Fläche von 8300 km², ist allerdings nicht der größte See Südamerikas, sondern rangiert nach dem Maracaibo-See an zweiter Stelle.