Paraguay ist das Land der Guaraní-Indianer. Besonders verdient gemacht um ihre Missionierung und ihren Schutz haben sich die Jesuiten, jener Orden, den Ignatius von Loyola gegründet hat. Jesuiten müssen neben ihrem Theologiestudium noch einen weiteren Studiengang absolvieren. Als Patres haben sie ihre Schutzbefohlenen vor dem Zugriff der Sklavenjäger bewahrt, aber auch vor den Spaniern, und sie konnten ihnen erstaunliche Kunstfertigkeiten abgewinnen, vor allem auf den Bereichen der Bildhauerei, der Schnitzkunst und der Musik. Da der Orden keine Steuern zahlen mußte, wurde er immer reicher, was schließlich den Neid weltlicher Herren erweckte und in der Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay gipfelte. Falsch ist die Ansicht, die Jesuiten hätten die Inquisition in Südamerika ausgeübt, was richtigerweise den Dominikanern, den "Hunden Gottes," zugeschrieben werden muß. Franzosen wurden als Hugenotten, Holländer als Calvinisten und Briten als Anglikaner von der Inquisition verfolgt und mit dem Bann belegt und konnten sich daher nicht festsetzen. Auch die weitere Geschichte Paraguays trieft von Blut. Der blutigste Krieg, der überhaupt jemals geführt wurde, war der sogenannte Chaco-Krieg, ein Grenzstreit, der buchstäblich bis auf den letzten Mann ausgetragen wurde. Nach seinem Ende gab es in Paraguay nahezu keine Männer mehr. Nicht umsonst werden die jungen Männer dort früher als anderswo zum Militärdienst herangezogen. Der Geburtsschein wird in der Regel erst lange nach der Geburt ausgestellt, wobei man meist einige Jahre zugibt, damit die Bürschchen früher eingezogen werden können. 
    In Paraguay tragen schon die Schulkinder Uniformen. Dies wird damit begründet, daß soziale Unterschiede nicht bereits im Kindesalter sichtbar werden und die Chancengleichheit zumindest äußerlich gewahrt bleibt. Das Schulsystem Lateinamerikas ist so aufgebaut, daß das Klassensystem erhalten bleibt, d.h. wer arm geboren ist, der wird auch arm sterben. Das oberste Lehrziel ist der Patriotismus und der Nationalismus. Viele Schulabgänger treten bereits mit einem beachtlichen Schuldenberg ins Berufsleben ein. Den Politikern sind die Defizite des hiesigen Schulsystems bekannt, aber an die Sache herangehen und dieses ändern will auch keiner, vielleicht weil viele denken, daß, wenn möglichst viele ein niedriges Bildungsniveau besitzen, diese auch leichter zu manipulieren seien und man seinen korrupten Geschäften desto besser nachgehen könne. Nichts hat sich, seit ich das letzte Mal hier war, geändert, es ist immer noch das gleiche Bild. – Ab jetzt beginnt für mich der eigentlich neue Teil der Reise. 
    Gleich an der Grenze überqueren wir den Río Pilcomayo, der in Bolivien entspringt. Die Grenzabfertigung zieht sich in die Länge, für viele ein Grund, um mit den Indios um Waren zu feilschen. Da denke ich mir: Früher haben die Weißen sich für Glasperlen und andere wertlose Gegenstände zu Spottpreisen gewaltige Gebiete Landes erworben, heute hingegen sind sie es, die indianische Ringe und sonstigen Kitsch für kostbare Dollars erstehen. So ändern sich die Zeiten, und beinahe alles kehrt sich um. Noch vor nicht allzulanger Zeit herrschte an den Grenzabfertigungsstellen zu Argentinien die reinste Willkür. Ein Beamter beispielsweise, der für zehn Tage in den Osterurlaub ging, legte die Formalitäten für die Zeit seiner Abwesenheit komplett lahm.

Im Land der Gauchos

    Die Erschließungsgeschichte der La-Plata-Staaten beginnt mit Amerigo Vespucci, dem Namenspatron Amerikas. Man glaubt, daß er den Río de la Plata als erster entdeckt hat, aber mit Sicherheit weiß man es nicht. Gewiß jedoch ist, daß Juan Diaz de Solis' Expedition an Land ging und alle bis auf einen von den Indianern aufgefressen wurden. Der nächste, der kam, war Pedro de Mendoza, ein Kammerherr Karls V., der von Sevilla aus die erste große Expedition in den Mündungstrichter des Río de la Plata, des Silberflusses, unternahm und 1536 Buenos Aires gründete. Er starb jedoch während der Reise. Andere vollendeten sein Werk und segelten den Paraguay-Fluß hinauf bis zum Zusammenfluß mit dem Río Pilcomayo, wo sie als erste dauerhafte Siedlung auf dem südamerikanischen Kontinent Asunción gründeten. Buenos Aires hingegen wurde nach seinem ersten Gründungsversuch von den Indianern zerstört, später aber wieder aufgebaut. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der interessante Bericht des Straubingers Josef Schmidel, der Mendoza begleitet hatte und somit zum ersten Chronisten Argentiniens wurde. 
    Kurz hinter der Grenze ist ein Schild aufgestellt mit der Aufschrift: Die Malvineninseln sind argentinisch! Ob das stimmt, mag der Leser selbst beurteilen. Der erste nämlich, der 1592 auf die Falkland-Inseln kam, war ein britischer Pirat namens John Davis, der die Inseln aber nicht betrat. Aus dieser Zeit hat sich folgende nette Anekdote bewahrt: Erst nachdem ein Matrose die unter Seeräubern berüchtigte Drake-Straße durchquert hatte, war er zum Tragen eines Ohrrings berechtigt, und dieser berechtigte wiederum dazu, beim Wasserlassen die Hose herunterzulassen. 1690 landete dann der Engländer John Strong auf den Inseln, aber auch er erklärte sie nicht zum Besitz der britischen Krone. 1764 gründen die Franzosen eine erste Kolonie auf Ostfalkland, worauf nur zwei Jahre später unabhängig davon die Engländer die Kolonie Port Egmont in Westfalkland errichten. Gemäß dem Vertrag von Tordesilla hat Frankreich die Oberhoheit Spaniens über alle Gebiete des Südatlantiks anerkannt und seinen Besitzanspruch an der neu gegründeten Kolonie an Spanien abgetreten, nicht so England. Nachdem 1770 die Spanier ihren käuflich erworbenen Besitz übernehmen wollen und die Engländer aus Port Egmont vertreiben, droht England mit Krieg. Die Spanier geben daraufhin Port Egmont zurück, ohne ihren Anspruch auf die restlichen Gebiete aufzugeben. Seitdem sind die Malvinas Zankapfel zwischen Briten und Argentiniern, denn die Argentinier betrachten sich nun einmal als Rechtsnachfolger der Spanier, zumal auch Spanien Argentinien als souveränes Land anerkannt hat. Über diesen Besitzstreit entbrannte schließlich der Falklandkrieg.