Die Stadt Salta, durch die der Río Arenales fließt, wurde 1582 von Hernando de Lerma gegründet. Ihre Anlage, in etwa 1000 m Höhe gelegen, entspricht genau der Festlegung Philipps II.: um einen Hauptplatz konzentrieren sich die Straßen, schachbrettartig angeordnet, getreu dem hippodamischen Prinzip, nach dem in der Antike die Städte Milet und Priene angelegt waren. Der Cabildo, das alte Rathaus, stammt aus dem 17. Jahrhundert. Von kunstgeschichtlichem Interesse in Salta sind die im neoklassischen Stil erbaute, prächtig ausgestattete Kathedrale sowie die ebenfalls im neoklassischen Stil gehaltene, bedeutend bescheidenere Franziskanerkirche, die mit 54 m Höhe den höchsten Kirchturm Südamerikas besitzt. Bedingt durch die Armut, sind die hiesigen Menschen gläubiger als bei uns, und die Reichtümer, welche die Kirchen Südamerikas angehäuft haben, sind ein Hohn auf die Besitzlosen. Man kann sich lebhaft vorstellen, in welchem Überfluß die Geistlichen gelebt haben müssen, wenn schon ihre Gotteshäuser derart prunkvoll ausgestattet waren. Und wo wir gerade dabei sind: heute mittag haben wir endlich das langersehnte argentinische Rindersteak in gewohnter Qualität gegessen, zart und innen blutig, und das Ganze zu einem vertretbaren Preis von 10 US$ inklusive Getränk. bekanntlich sind die Argentinier eine Fleischfressernation, denn jeder erwachsene Argentinier verzehrt im Schnitt etwa 1 kg Fleisch pro Tag (kaum zu glauben, aber so wird es berichtet). Die für die Zubereitung des gegrillten Fleisches, welches man Asado nennt, erforderliche Holzkohle wird in den Kohlemeilern des Chaco gewonnen.
Vor dem Archäologischen Museum der Stadt steht ein Reiterstandbild von Güemes, einem Gaucho-Führer, der mit seinen Infernales den Royalisten schwer zu schaffen machte. Manchmal, wenn die Leute in Argentinien einen Reiter sehen, glauben sie, daß es sich dabei um einen Gaucho handele. Gauchos gibt es jedoch schon seit Ende des vorletzten Jahrhunderts nicht mehr, sondern es handelt sich um sogenannte Peóns, zu deutsch Viehtreiber. Gauchos waren wilde Gesellen, die aus Verbindungen zwischen weißen Vätern und indianischen Müttern hervorgingen und die aus beiden Gesellschaften ausgestoßen waren, weil ihre Eltern einen Tabubruch begingen. Die in der argentinischen Literatur beschriebene Gaucho-Romantik hat es nie wirklich gegeben, denn die, die diese Bezeichnung dereinst führten, waren in der Regel rauhe Gesellen, die Dörfer überfielen, Vieh raubten, die Weißen ermordeten und ihre Frauen vergewaltigten. – Im Museum finden sich Fundstücke präkolumbianischer Epochen. Die Gefäße sind entweder antropomorph oder zoomorph ausgeführt, schwarzgebrannte Keramiken mit Ritzdekor weisen vielfach Schlangenmotive auf. Auch Muscheln oder Korallen wurden bearbeitet, als Währung galten Türkise und Salz. Der Lapislazuli wurde auf der chilenischen Seite der Anden gefunden. – Die Nahrungsbeschaffung war im Hochlandbereich wesentlich einfacher als im Tiefland, als Speisen dienten Hirse, Mais, Kartoffeln und Chilischoten. Auch den Mais, der bislang in Europa nicht bekannt war, verdanken wir der Entdeckung Amerikas, und die Kartoffel hat ihren Ursprung auf der Insel Chiloé. Die Aschote-Nuß hingegen dient zum Einfärben der Haut.
Auf den Cerro San Bernardo führt eine Seilbahn hinauf. Mit dieser erreicht man in etwa zehn Minuten den Gipfel des Hausberges von Salta. Die beste Aussicht auf die majestätische Bergwelt dürfte man wohl am Vormittag haben, da dann zum einen kein Gegenlicht herrscht und sich zum zweiten am Nachmittag meist Quellwolken bilden, die die Berge ganz oder teilweise einhüllen. – Salta ist überdies bekannt für seinen berühmten "Zug in den Wolken", dieser sollte Salta mit Antofagasta verbinden; 1929 war das erste Teilstück fertig. Der Adhäsionsantrieb läßt auf einer Strecke von 1000 m nur eine Steigung von 25 m zu (2,5%). Der Zug braucht für diese 900 km lange Strecke, die auf Höhen von 4500 m führt, drei Tage, und er verkehrt nur sehr selten.
Wegen seiner Erdgas- und Erdölvorkommen zählt Salta zu den reicheren Provinzen Argentiniens. Das Land kann seinen Bedarf an Erdöl und Erdgas selbst decken. – Agrarisch befinden wir uns mit dieser Region in einem Coka-Anbaugebiet. Während der Anbau von Cokablättern und der Handel damit in Argentinien unter Strafe gestellt ist, ist ihr Genuß in Bolivien erlaubt. Allerdings versucht dort die Regierung, den Anbau durch gewaltsame Maßnahmen einzudämmen. Auch den Inkas war es nicht erlaubt, Coka zu kauen; lediglich die "Spitzel" des Herrschers durften dies tun. In Cuzco waren zur Zeit der Inkaherrschaft geschlossene Türen verboten, so daß die Wächter an allen Türen lauschen konnten, ob nicht drinnen etwas gegen den Herrscher gesagt würde. Ein schlimmeres Bespitzelungssystem konnte man sich selbst zu Nazi- oder SED-Zeiten kaum vorstellen.
Von Gringos und Campesinos
Unser Reiseleiter ist ein gewaltiger Hüne, einer jener Recken aus dem Hohen Norden, die Erinnerungen an den Raubzug der Wikinger wachrufen. Seine lange blondgelockte Mähne, sein kurzgeschnittener Bart, das selbstbewußte Auftreten und sein Ohrring deuten an, daß er nicht frei von Eitelkeit ist. Von Geburt Österreicher, gibt er als Heimat den Sauwald an, irgendwo zwischen Mühl- und Innviertel gelegen, und mit einem Ausdruck von Stolz weist er auf die rauhen Sitten hin, die dort herrschen. Er habe aber noch keinen gefressen, und niemand brauche sich vor ihm zu fürchten, wirft er mit kehlig-heiserer Stimme zu unserer Beruhigung ein. Auch scheint es sein besonderes Anliegen zu sein, die Andersartigkeit eines jeden in der Gruppe zu dulden, worauf er gleich in seiner Antrittsrede hinweist. Seine kleine Gruppe von Gefolgsleuten beherrscht er durch einen autoritären Führungsstil, der ihm wohl von Geburt oder durch ein hartes Leben zu eigen ist, welches er in dieser Form seit zwanzig Jahren führt. Wehe, wenn es jemand wagen sollte, seinen Ausführungen nicht zu folgen oder sich gar selbständig zu machen! Die ganze Gruppe hätte dann darunter zu leiden. Seine Vorträge hält er weitgehend frei, und sein Wissen ist beeindruckend. Ich denke mir, was ein Mensch von seiner Begabung ausgefressen haben muß, um sich einer solchen Lebensweise zu unterziehen, denn er führt ein selbstzerstörerisches Leben, das schon am Morgen von der Flasche geprägt ist, von immerwährendem Zigarettenkonsum.