Am Ende seines Monologs meint unser Reiseleiter zynisch, er wisse gar nicht, warum wir Deutschen so stolz auf unseren Alexander von Humboldt seien. Der Universalgelehrte Alexander von Humboldt habe schließlich nur auf französisch publiziert und erst auf dem Sterbebett eine Übersetzung ins Deutsche genehmigt, denn er wollte in die französische Akademie der Wissenschaften aufgenommen werden, was ihm letztendlich auch gelang. – 
    Im Gebiet von Río Hondo gibt es Thermalquellen, deren es im gesamten Andenbereich zahlreiche gibt. Über den zum See aufgestauten Río Dulce, der hier für die Stromerzeugung genutzt wird, gelangen wir in die Provinz Tucumán, die kleinste Provinz Argentiniens. Vor der Stadt, nach der die Provinz benannt ist, tauchen die ersten Berge auf. Unsere Durchquerung des Chaco haben wir damit glücklich hinter uns gebracht. Das Flußbett des Río Soli, welchen wir überqueren, ist mit reichlich Wasser gefüllt, da es in den Bergen wohl ordentlich geregnet haben muß. 
    Tucumán führt den Beinamen "Garten der Republik", es hat seinen Namen nach dem indianischen Häuptling Tucumán. Die Stadt wurde 1565 von Diego de Villarroel gegründet. In Tucumán wurde am 9. Juli 1816 die Unabhängigkeitsakte unterzeichnet. Am Platz der Unabhängigkeit befinden sich mehrere alte Bauten, die architektonisch besonders interessant sind. Gegenüber der Kathedrale steht ein in der Art des Kolonialstiles errichtetes Gebäude, das mehrere Stile in sich vereint. Auch die vergitterten Fenster erinnern unmittelbar an die Kolonialzeit, ebenso die Balkone. Den gesamten Giebelfirst zieren die von der Gotik her bekannten fratzenhaften Figuren, wie sie nicht nur an den Kathedralen, sondern auch an Profanbauten angebracht waren. Zwei Putten über dem Giebelfenster, die ein Wappen in Händen halten, erinnern an den Barock. Links davon befindet sich ein Gebäude im Stil des Rokkoko, das einen sehr schönen Innenhof besitzt. Wiederum links von diesem steht ein Haus im neoklassizistischen Stil, und schließlich folgt zu dessen Linker ein weiteres, wie es für die faschistische Epoche Italiens zu Zeiten Mussolinis typisch ist. An der nächstgelegenen Straßenkreuzung steht die neoklassizistische Franziskanerkirche. Es folgt der vom Architekten Domingo Selva errichtete Präsidentenpalast. In der Congreso Tucumán befindet sich die Casa Avellaneda (Haus Nr. 56), die auf das Jahr 1836 datiert ist und in der Nicholas Avellaneda geboren wurde, der von 1874-1880 Präsident Argentiniens war und die Ausrottung der Chaco-Indianer angeordnet hat. Heute ist darin ein kleines Museum untergebracht. Etwas weiter, in der Casa Historica, die tatsächlich noch aus der Kolonialzeit stammt, tagte der Kongreß der Unabhängigkeitserklärung. Das nach außen relativ schmucklose Gebäude birgt in seinem Innern insgesamt drei Innenhöfe. Auf der gegenüberliegenden Seite, wo der Eingang zu den Pferdestallungen war, hängen an den Innenwänden Reliefs von Schlachtenszenen. Unweit von hier steht in der Straße des 9. Juli die Dominikanerkirche, die dem heiligen Thomas von Aquin geweiht ist und heute zur Universidad del Norte gehört. Ein typisches Beispiel für die Tucumánische Architektur des 19. Jahrhunderts ist die Casa de los Padilla, die ebenfalls einen sehr schönen Innenhof besitzt. Die Kathedrale heißt auch Kathedrale der eintausend Säulen. Unweit dieser findet sich schließlich die Mercedarierkirche, die Kirche des Gnadenordens. 
    Hier in den Bergen um San Miguel de Tucumán haben sich in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Guerilleros verschanzt. Die Guerillagruppe der Montaneros, die in diesem Gebiet agierte, wollte seinerzeit mit Waffengewalt versuchen, das System zu verändern. Einer kleinen Zahl von Land-oligarchen stand eine Masse von verschuldeten Landarbeitern gegenüber, an die feudalen Verhältnisse der Kolonialzeit anknüpfend. Doch nicht nur die Militärs haben gemordet, vergewaltigt und gefoltert, sondern auch die extrem rechten und linken Gruppierungen der Guerilla. Der politische Dialog wurde anstatt durch Diskussionen mit der Waffe geführt. Mit dem verlorenen Malvinen-Krieg endete auch die Herrschaft des Militärs.

Zwischen Menhiren und Säulenkakteen

    Als wir am Morgen des Palmsonntags aufbrechen, eröffnet sich uns ein erster Blick auf die freier werdende Bergkette der Anden, die hier zwischen 4000 und 5000 m hoch sind. Wie eine Wand, so steil, ragen sie auf, und gespenstisch lichten sich davor die Nebel, während dahinter der blaue Himmel durchschimmert. Nun beginnt unsere eigentliche Andenüberquerung, es erscheinen die ersten schneebedeckten Berggipfel der Sierra Aconquija. Während an den Ostabhängen der Anden genügend Feuchtigkeit aufsteigt und abregnet, was dort ein üppiges Pflanzenwachstum hervorruft, sind die innerandinen Täler wesentlich trockener. Die Westseite der Anden hingegen ist völlig trocken. Hier liegen die niederschlagsärmsten Wüsten der Erde, etwa die Atacamawüste, wo es seit Menschengedenken, seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, nicht geregnet hat. 
    Links und rechts der Straße sehen wir bereits die ersten Inkalilien mit ihren weißen Blütenblättern, die zur Familie der Amaryllidaceen gehören. Die umgebende Natur ist ein Paradies für Epiphyten. Dies sind Pflanzen, die einen Baum nicht parasitär im Sinne eines Wirts benutzen, sondern sich seiner lediglich bedienen, um an ihm emporzuklettern und dadurch dem Licht näherzurücken. Üppig und urweltartig grün ist der Bewuchs, als wir uns auf einer Schotterstraße, die durch die Regenfälle der vergangenen Tage aufgeweicht ist, unter Schütteln und Schaukeln über Schlaglöcher hinweg auf schmaler werdender Straße in immer größere Höhen hinaufwinden, den Wildbach stets zu unserer Linken. Für Pkw mit niedrigem Radstand ist die Straße schier unpassierbar. Aufgrund von Murenabgängen sind Bulldozer am Werk, die Straße freizuschaufeln. Ein Fahrzeug vor uns gerät direkt in einen Steinschlag, die Heckscheibe wird zertrümmert. Leute versuchen das Fahrzeug anzuschieben. Die Wurzeln der Bäume sind nicht tiefreichend, aber weitverzweigt, ideal also, um von Schlamm- und Geröllmassen mitgerissen zu werden. Vor einem Hangrutsch geraten wir ins Stocken, nichts geht mehr. Noch immer lösen sich tonnenschwere Gesteinsbrocken, so groß wie ein kleines Fahrzeug, donnern unter Getöse und Krachen auf die Straße und blockieren den Weg. Was die Planierraupen bereits freigeräumt haben, wird erneut von Gesteinsmaterial zugedeckt. Stunden des Bangens und Wartens vergehen. Teilweise wirken die Minen ratlos und sorgenvoll, wir können aufgrund der Größe unseres Fahrzeugs weder wenden noch weiterfahren.