Ein Glück für uns, daß Körperpflege und Reinlichkeit zu seinen Tugenden zählen. Der Mann ist gerade einmal so alt wie ich, aber ungleich stärker vom Verschleiß gezeichnet. Zuhause hat er ein Weib und einen Sohn, die er aber, ständig auf Wanderschaft – wie es für alle Angehörigen der germanischen Völkerschaften typisch ist –, nur selten sieht. Alles in allem ein rauher Krieger, der einen verzweifelten Einzelkampf führt, und, einem Kreuzritter gleich, nicht ohne äußeres Zeichen von Frömmigkeit und Mildtätigkeit gegenüber den Armen! Anstatt eines ordentlichen Frühstücks begnügt er sich meistens mit einer Tasse Kaffee, und dazu raucht er seine obligatorische Zigarette auf nüchternen Magen. Mit einem ohnehin starken Hang zum Trinker ist ihm, um von seinem Suchverhalten abzulenken, auch ein Glas Mate-Tee eine willkommene Abwechslung. 
    Nach einer Stunde Fahrtzeit verlassen wir die Provinz Salta und kommen in die Provinz Jujuy. Mehr als 60% der Einwohner sind Mestizen. – Es war des Inkas Gewohnheit, Menschen umzusiedeln. So wurden Indios vom Titicacasee nach hierher verpflanzt. Die Bevölkerung weist auch einen deutlich stärkeren indianischen Einschlag auf. Die Indios werden heute Indigeñas oder Campesinos genannt, der Terminus Indio wurde in Bolivien abgeschafft. Wer sie "Indios" nennt, macht sich verdächtig. Das Wort Gringo, "Ausländer", ist allerdings kein Schimpfwort, das Wort Yankee-Gringo allerdings sehr wohl. Durch derartige Maßnahmen versucht die einheimische Bevölkerung anscheinend, sich selbst aufzuwerten, wobei man ihr die Abstammung vom "Indio" ja unstreitig ansieht. 
    Vor Jujuy wird die mautpflichtige Straße zur Autobahn ausgebaut. Das Straßennetz Argentiniens ist fast ganz in privater Hand. San Salvador de Jujuy, am Río Grande und Río Chico gelegen, wurde 1565 erstmals gegründet, 1575 wiederholt und 1593 durch Don Francisco de Anaganioris zum drittenmal, diesmal auf Dauer, ohne daß es von den Indianern wieder zerstört worden wäre. Auch hier wird noch das Quechua, die indianische Sprache, gesprochen. Auf dem Hauptplatz, der Plaza Belgrano, steht das Standbild dieses Unabhängigkeitskämpfers und Generals. Auf ihn, einen Mann, der alle Schlachten, die er schlug, bis auf die Schlacht von Tucumán verloren hat, gehen die Flagge und das Wappen Argentiniens zurück. Nur noch der Cabildo mit seinen Kolonnaden stammt aus der Kolonialzeit. Auch ein Brunnen mit einer Statue des Erzengels Michael steht dort. Die Kathedrale ist, wie so oft, im neoklassischen Stil erbaut. Das Regierungsgebäude erinnert an das Château d‘Osuy in der Nähe von Paris. Justitia mit der Waage und dem Schwert und Merkur der Götterbote zieren als Plastiken die Frontseite des Gebäudes. In der Kathedrale ist die geschnitzte Kanzel, auf welcher Jakob auf der Himmelsleiter dargestellt ist, bemerkenswert. Vor der Stadt liegen die Elendsviertel, die sogenannten Baniis, die früher zumeist auf öffentlichem Boden errichtet waren und daher einfach mit Bulldozern weggeschoben wurden. Heute nimmt man davon Abstand; man versucht eher, diese in normale Wohnviertel umzuwandeln. 
    Durch das zunächst weitläufige, dann rasch enger werdende Tal des Río Grande, der um diese Jahreszeit kein Wasser führt, fahren wir stetig bergan in die Quebrada de Humahuaca. Wo anfangs noch üppiges Grün vorherrschend war, verliert sich die Vegetation allmählich in der Baumlosigkeit, und nur noch Büsche gedeihen dort und Gräser. Auch die alte Eisenbahnlinie nach La Paz wurde aufgelassen, auf der bolivianischen Seite verkehrt sie allerdings noch. Noch ist die Straße nicht asphaltiert. Immer wieder sieht man Murenabgänge, d.h. daß es im Sommer gewaltig geregnet haben muß. Wir kommen nun wieder in das Gebiet der Säulenkakteen, die sich gegenwärtig zu Füßen einer Erosionsformation hinziehen. Cardones (Trichocereus pasacana), wie sie auch genannt werden, werden bis zu 8 m hoch. Sie gehören zur Familie der Sukkulenten und können in extrem wasserarmen Gebieten überleben. Wenn ein Kaktus abstirbt, verholzt er. 
    Das weiße Argentinien liegt nun endgültig hinter uns, wir befinden uns im Gebiet der Quiu-Indianer, deren Lebensgewohnheiten deutlich anders sind als die der weißen Argentinier. Sie leben noch in Häusern aus Lehmziegeln ohne jede Beheizung. Bettgestelle sind ihnen unbekannt, man schläft auf dem Boden, nur von einer Lamadecke gewärmt. Die Häuser haben meist nur einen einzigen Raum, die Feuerstelle ist außerhalb des Hauses. Lasten werden im andinen Bereich zumeist auf dem Kopf getragen. Die Felder werden teilweise noch mit Harkpflügen und Ochsen bestellt. Traditionelles Nahrungsmittel ist der Mais, das indianische Maismehl heißt Chicha. Da Wasser in dieser Höhe bereits bei 85 °C siedet, muß man stundenlang kochen, bis die Gerichte gar sind. Fleisch wird in dünne Streifen geschnitten und luftgetrocknet, ähnlich dem Biltong in Afrika. Das in Streifen geschnittene Fleisch wird an Leinen zum Trocknen aufgehängt. Der erste Schluck, der getrunken wird, wird auf den Boden gekippt, da die Erde als Pachamama, als Große Mutter, angesehen wird. Auch Pachacámac, der Erderschaffer, will versöhnt werden. Niemand würde einen Spaten anfassen, um ein Haus zu bauen, wenn nicht vorher ein Opfer dargebracht wurde. Sind die geopferten Speisen verfault, ist dies ein gutes Zeichen, ist dies jedoch nicht der Fall, so wurde das Opfer nicht angenommen. Auch Haustiere werden gehalten. Bereits vor Ankunft der Spanier kannten die Indios den sogenannten spanischen Nackthund, der eine höhere Körpertemperatur hat als unsere Hunde. Dazu gesellen sich Truthahn und Meerschweinchen, die vor der Entdeckung Amerikas in Europa unbekannt waren. 
    Als auch der Pflanzenwuchs aufhört, treten farbige, mineralhaltige Einschlüsse hervor. Graublaue Stellen sind kupferhaltig, weiße deuten auf Gips oder Kaolin hin, schwarz-rote auf eisenhaltige Verbindungen und gelbe auf Schwefel. Erneut tauchen neben der Straße alluviale Erosionsformen auf, Bilder wie aus dem Märchen. Vom Friedhof von Maimara hat man einen wunderschönen Blick auf den Berg der sieben Farben, den Cerro de Sette Colores. 
    Die Pucara von Tilcara – beides sind Wörter aus dem Quechua –, eine alte inkaische Festung, hebt sich kaum gegen den Hintergrund ab. Außerdem sind nur mehr die Grundmauern erhalten. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum Wendekreis des Steinbocks. Wir fahren heute bis Huacalera, das genau am Wendekreis liegt, und nächtigen direkt an der Straße bei einer Indio-Familie. Am Monument des Wendekreises gedeiht immer noch Pampa-Gras. Nachts kann es sehr kalt und sehr windig werden. Etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang legt sich der Wind meist. 
    Noch immer im Tal des Río Grande, verläuft unsere Fahrt am nächsten Morgen weiterhin bergan, während sogleich im morgendlichen Sonnenlicht der rote Untergrund des Gesteins linker Hand in einem überwältigenden Karminrot erstrahlt: eine Symphonie der Farben im zerrissenen Fels.