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Nach einem leckeren Frühstück mit frischen Früchten fahren wir mit zwei Booten auf dem Rio Caura und einigen Seitenarmen. Die Sonne knallt schon früh vom Himmel, und ich habe mich heute doppelt eingecremt und meinen Hut auf. Während der Bootsfahrt sehen wir verschiedene Reiher, Eisvögel und Fischadler. Unterwegs besuchen wir ein Indianerdorf und werden von vielen Kindern empfangen. Im Dorf zeigt man uns die Verarbeitung von Maniok. Ein süsses Baby schläft selig in einer Hängematte. Wir machen einen Rundgang durch das Dorf und sehen auch die kleine Dorfschule, in der alle Klassen in einem Raum unterrichtet werden. Zuletzt kaufen wir den Frauen noch selbstgemachten Schmuck ab. Ich erstehe ein nettes Armband aus rotschwarzen Samen.
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Der Fahrtwind auf dem motorisierten Einbaum ist uns mehr als willkommen, denn die Hitze erdrückt uns fast. Ein zweites Indianerdorf mag ich aber nicht mehr anschauen und Gertrud auch nicht. Wir haben den Eindruck, dass die Menschen das gar nicht mögen und sich zur Schau gestellt fühlen. Der Verkauf der Ketten ist die einzige Einnahmequelle, deswegen ertragen sie die Touristenbesuche. Ich kann sie verstehen.
Kaum sitzen wir wieder im Boot, sieht Cilfredo einen Riesenflussotter, der gerade einen recht grossen Rochen gefangen und mit dem Fressen begonnen hat. Als wir näher kommen, flüchtet der Otter ins Wasser, taucht aber immer wieder auf und behält uns im Auge. Der Rochen lebt noch, obwohl der Otter schon ein grosses Stück gefressen hat. Als wir langsam weiterfahren, kommt der Otter zurück, holt sich den Rochen und zieht ihn ans andere Ufer in Sicherheit. Das war mein erster Riesenflussotter, der hier übersetzt auch Flusswolf genannt wird.
Wir fahren zu einem verlassenen Camp, wo wir am Morgen den Koch mitsamt Lebensmitteln abgesetzt hatten. In der Zwischenzeit hat er einen leckeren Tunfischsalat und Nudeln zubereitet für unser Mittagessen. Wir sitzen unter einem riesigen Dach aus Palmblättern und sind dankbar für den Schatten. Hier sehe ich auch die schönen schwarz-blauen Trompetervögel wieder, die die Indianer als „Wachhunde“ halten, weil sie Fremde laut ankündigen. Ich biete 100 Dollar Prämie für denjenigen, der ein knipsbares Faultier sichtet. Diese Idee wird begeistert aufgenommen, und die Indios hier erzählen, dass sie vor 15 Tagen eines gesehen haben, allerdings ein Stück weg von hier. 100 Dollar sind eine Menge Geld und ein echter Anreiz, und anschliessend gehen die Blicke immer nach oben in die Kronen bestimmter Futterbäume, in denen die Faultiere hängen könnten.
Ich entdecke noch zwei wunderschöne Cattleyablüten, eine schöne Orchidee und die Nationalblume Venezuelas. Die Hauptblüte der Orchideen ist im Mai. Gerade, als wir wieder losfahren wollen, geht ein kräftiger Regenguss runter, den wir gerne noch unter dem Dach abwarten.
Nach kurzer Fahrt legen wir dann mitten im Regenwald an und wandern etwa zwei 1/2 Stunden durch dichten Wald auf sehr schmalen Pfaden. Dabei entdecken wir nicht nur Brüllaffen und grosse Waldhühner (Guane), sondern auch die Erdhöhle einer Tarantel. Bisher wusste ich nicht, dass Taranteln die grössten Spinnen sind und in Erdhöhlen leben, während Vogelspinnen nachtaktiv sind und auf Bäumen leben. Cilfredo nahm ein langes biegsames Gras, machte eine Schleife am Ende und stocherte damit in der Höhle herum. Es tat sich aber nichts. Vor der Höhle lagen die Reste einer männlichen Tarantel, die die weibliche Spinne offenbar vertilgt hatte. Wir verschieben den Versuch auf den Rückweg.